Toedliche Verfolgung
als beabsichtigt klang. Der Verbrecher hatte sie sicherlich gehört und wusste jetzt, wo sie war. Sie musste hier verschwinden, und zwar schnell. Inzwischen konnte sie kaum noch etwas erkennen, die Dunkelheit hatte eingesetzt. Erin bewegte sich von einem Stamm zum nächsten, blieb stehen, lauschte und ging dann weiter. Nach einigen Minuten gab sie auf. So würde sie Ross nie finden, und vor allem hatte sie mittlerweile völlig die Orientierung verloren. Die Lichtung mochte nur wenige Meter entfernt sein, sie würde sie vermutlich trotzdem nicht wiederfinden.
Der durch die Angst verursachte Energiestoß ebbte ab, erschöpft sank sie auf den Waldboden. Den Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt, schloss sie die Augen. »Ross.« Tränen quollen unter ihren Augenlidern hervor und liefen über ihre Wangen. Ein reißender Schmerz breitete sich in ihr aus, bis er jeden Winkel ihres Körpers erfasst hatte. Erst Lissa und nun auch noch Ross. Warum hatte sie so lange an ihrer Wut und Verletztheit festgehalten, anstatt ihm noch eine Chance zu geben? Sie liebte ihn immer noch, und jetzt war es zu spät, es ihm zu sagen.
»Erin?«
Zuerst dachte sie, es wäre ein Echo aus der Vergangenheit, doch dann erkannte sie, dass tatsächlich jemand ihren Namen rief.
»Erin, sag etwas, sonst kann ich dich nicht finden!«
Ross.
Erin sprang auf, taumelte und schürfte sich an der Baumrinde die Hände auf, doch das war ihr egal. »Ross, ich bin hier!«
»Bleib wo du bist, ich hole dich. Rede einfach mit mir.« Seine Stimme klang schon näher.
»Ich habe einen Schuss gehört …«
»Keine Angst, das war nur ein Versehen.« Humor schwang in seiner Stimme mit. »Ich wurde mit einem Bären verwechselt.«
»Das ist nicht lustig! Ich dachte, du wärst tot.«
»Wolltest du schon den Sekt aufmachen?«
Wie schaffte er es nur immer, sie innerhalb von Sekunden wütend zu machen? »Darüber kann ich gar nicht lachen. Du …« Erin brach ab, als er plötzlich vor ihr stand.
Im Dunkeln konnte sie seine Zähne aufblitzen sehen. »Ja?«
Kraftlos schlug sie mit der Faust gegen seine Brust. »Idiot! Ich habe gedacht, du wärst tot! Wie konntest du mich in dem Glauben lassen …«
Ross ließ sie nicht ausreden, sondern zog sie an sich und küsste sie. Seine Finger wühlten sich in ihre kurzen Haare und hinderten sie so daran, ihr Gesicht wegzudrehen, als er seinen Mund auf ihren senkte. Als wenn sie das überhaupt versucht hätte! Sie sehnte sich schon so lange danach, endlich wieder seine Lippen zu spüren, seine Zunge, die sich einen Weg in ihren Mund bahnte. Natürlich hätte sie es niemals zugegeben, aber sie hatte sich all die Jahre nach Ross verzehrt, obwohl sie ihn eigentlich hassen wollte. Er besaß eine Macht über sie, die sie nie verstanden hatte. Aber all das war jetzt nebensächlich. Sie brauchte ihn – mehr als alles andere.
Gierig umklammerte sie seinen Nacken und zog ihn dichter an sich. Als versuchte sie, die verlorene Zeit wieder gutzumachen, erkundete Erin mit ihrer Zunge eifrig seinen Mund. Ihre Finger schoben sich in den Ausschnitt seines T-Shirts, genossen seine warme Haut an ihren Fingerspitzen, während Ross im Gegenzug seine Hand über ihren Hals gleiten ließ. Erin erschauerte. Ihr Körper drängte danach, mehr von seinen sanften Berührungen zu spüren, seine Hitze, seine Erregung.
Doch Ross beendete den Kuss und lehnte seine Stirn an ihre. »Es tut mir leid, dass ich dich damals verlassen habe, Erin. Aber ich konnte dir nicht sagen, wo ich hingehe.«
Ihre Erregung flaute ab und wurde von der altbekannten Wut ersetzt. Sie trat einen Schritt zurück und verschränkte ihre Arme über der Brust, um die Kälte abzuwehren, die von ihr Besitz ergriff. »Warum nicht? Was war so schwer daran zu sagen: ›Erin, ich werde jetzt für zwei Monate verschwinden, mach dir keine Sorgen um mich, ich bin in Missoula, New York oder Timbuktu.‹«
Ein schwaches Lächeln glitt über sein Gesicht, das sofort wieder verschwand. »Weil ich das nicht sagen durfte.«
Seine Antwort schmerzte mehr, als sie nach all der Zeit erwartet hätte, und sie wandte sich ab, damit er die Tränen in ihren Augen nicht sah.
Ross legte seinen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn wieder anzusehen. »Es tut mir leid, dass ich dich belügen musste, Erin. Ich konnte dir nicht sagen, wer ich wirklich war und wohin ich ging, weil ich als CIA -Agent zur Geheimhaltung verpflichtet war.« Sanft strich er über ihr Kinn. »Was meine Gefühle angeht, habe ich dich
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