Tödlicher Mittsommer
Oder vielleicht auch versucht haben, da wieder rauszukommen. Etwas, von dem auch Kicki Berggren wusste oder in das sie sogar selbst verwickelt war. In den letzten Jahren ist ja so einiges beim Systembolaget gelaufen, was nicht ans Licht der Öffentlichkeit dringen durfte.«
»Eine illegale Geschichte, die es notwendig machte, dass erst Krister und dann Kicki nach Sandhamn gefahren sind«, ergänzte Kalle.
»So was in der Art«, sagte Margit. »Thomas, du hast sie doch kennengelernt, wie war sie denn so?«
Thomas schloss die Augen und dachte nach.
Das Bild einer einsamen, enttäuschten Frau mit guten Vorsätzen tauchte in seiner Erinnerung auf. Sie hatten sich ungefähr eine halbe Stunde unterhalten. Sie schien aufrichtig traurig über den Tod ihres Cousins gewesen zu sein. Und überrascht.
»Sie standen einander nahe, sagte sie, aber während ihrer ganzen Zeit auf Kos hatte sie kein einziges Mal mit ihrem Cousin gesprochen. Sie schienen überhaupt keinen Kontakt gehabt zu haben, während sie weg war. Ich habe bei ihm zu Hause eine Ansichtskarte gefunden, auf der sie ihn bat, sie anzurufen.«
Thomas blätterte wieder in seinem Notizblock, um die Erinnerung aufzufrischen.
»Ich habe keine überzeugende Erklärung von ihr bekommen, warum sie keinen Kontakt hatten, während sie verreist war. Stattdessen sprach sie über den Tod seiner Mutter. Der hat Krister Berggrenanscheinend hart getroffen. Das schien eine mögliche Erklärung für einen Selbstmord zu sein.« Er schwieg. »Ich hätte natürlich danach fragen müssen«, räumte er ein.
Der Alte lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, der bedenklich knarzte. Seine Oberschenkel quollen über die Sitzfläche, und sein rundes Gesicht war auffallend braun von der Sommersonne.
»Nehmen wir mal für einen Moment an, dass es hier um krumme Geschäfte geht, vielleicht Diebstahl oder Hehlerei. Was sollte das mit Sandhamn zu tun haben?«, fragte er.
»Gab es da draußen nicht vor vielen Jahren mal eine Rauschgiftsache?«, warf Margit ein.
Thomas blickte in die Runde.
»Doch, das ist vollkommen richtig. Ich war damals ein kleiner Junge, aber an das Mordsspektakel kann ich mich noch erinnern. Das Seglerrestaurant gehörte einem unbekannten Herrn namens Fleming Broman. Wie sich herausstellte, hatte er in seiner Küche tagsüber Essen und nachts Rauschgift fabriziert. Es gab einen Riesenskandal und einen mächtigen Wirbel, als das Drogendezernat endlich wach wurde und zuschlug.«
Thomas sah die Zeitungsplakate vor sich, die draußen am Tabakladen hingen, wenn er von der Schule kam. Mit den fetten Schlagzeilen.
Damals auch schon.
»Glaubst du, es könnte sich wieder um Rauschgift handeln?«
»Eher um Alkohol«, warf der Alte ein. »Wenn es über Krister Berggren einen Zugang zum Systembolaget gab, könnte seine Cousine auch darin verwickelt gewesen sein. Aber das beantwortet immer noch nicht die Frage nach der Verbindung mit Sandhamn.«
Margits Stimme war wieder im Lautsprechertelefon zu hören.
»Angenommen, Kicki Berggren wusste, dass ihr Cousin in irgendeine Form von Alkoholschmuggel in den oder aus dem Systembolaget involviert war. Sie kommt nach Hause und erfährt, dass ihr Cousin tot ist. Falls sie weiß, wer sein Kontaktmann war, beschließt sie vielleicht, ihn aufzusuchen, entweder um sich irgendwie zu rächen oder, was wahrscheinlicher ist, um ihn zu erpressen. Wenn diese Person nun auf Sandhamn wohnt, ist es doch logisch, dass sie dort hinfährt, oder? Es ist ja Sommer, und außerdem ist das der Ort, wo ihr Cousin tot aufgefunden wurde. Und wenn dieser Kontaktmann Krister ausAngst vor Entdeckung ermordet hat, könnte er Kicki Berggren ebenfalls umgebracht haben.«
Thomas verschränkte die Hände hinter dem Kopf und dachte eine Weile nach.
»Ihr Aufenthalt in Griechenland hat vielleicht gar nichts damit zu tun, wohingegen die Fahrt nach Sandhamn der zentrale Punkt ist«, sagte er dann. »Der Grund dafür, dass Krister Berggren am Weststrand gefunden wurde, wäre in dem Fall, dass er auf die Insel gefahren ist, um seinen Kontaktmann zu treffen. Über Ostern, denn da ist er verschwunden.«
»Ein Treffen, das irgendwie aus dem Ruder gelaufen ist«, warf Margit ein.
Thomas blätterte zu seinen Notizen über das Gespräch mit Krister Berggrens Chef im Systembolaget, einem gut fünfzigjährigen Mann mit schütterem Haar, der auf den Namen Viking Strindberg hörte.
Strindberg wusste nicht viel zu erzählen, obwohl Berggren rund dreißig Jahre dort gearbeitet
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