Tödlicher Ruhm
nicht erzählt, und sie hätten ziemlich tief graben müssen, um es herauszufinden. Schließlich wird Sally ja auch nicht als gefährlich eingestuft. Ich habe es nur rausgefunden, weil ihre Mutter es mir erzählt hat.«
Coleridge lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und nippte an dem Wasser in seinem kleinen Pappbecher. Hooper hatte sich ganz besonders für die Installation eines Wasserspenders im Einsatzraum stark gemacht, während sich Coleridge vehement dagegen gewehrt hatte, da die ganze Sache in seinen Augen nur ein weiteres Beispiel dafür war, dass heutzutage alle wie Amerikaner aussehen wollten. Nachdem das Ding nun jedoch dort stand, freute er sich über einen kühlen Schluck, wenn er grübelte, und es hatte ihm geholfen, seinen Teekonsum einzuschränken.
»Also, Patricia«, sagte er. »Wie denken Sie darüber? Halten Sie diese Information über Sally für bedeutsam... ich meine, was unsere Mordermittlungen betrifft?«
»Sir, es erklärt sicher, weshalb Sally beim Thema Geisteskrankheit so empfindlich reagiert. Aber insgesamt würde ich sagen, dass sie dadurch eher nicht in Frage kommt. Ich meine, wir wissen jetzt, wieso sie an dem Abend, als der Streit mit Moon entstand, gesagt hat, was sie gesagt hat.«
»Ja, ich neige zu derselben Ansicht, Constable, obwohl man zugeben muss, dass die Ähnlichkeit zwischen dem Verbrechen ihrer Mutter und dem, das in diesem Haus begangen wurde, einen ziemlich seltsamen Zufall darstellt. Aber unabhängig davon, was wir denken, glaube ich kaum, dass die Presse sie entlasten dürfte, falls sie je davon erfahren sollte.«
42. Tag 7:00 Uhr
Mrs. Copple wurde vom Klingeln des Telefons geweckt. Fast gleichzeitig läutete es an der Tür. Gegen halb acht standen vierzig Reporter in ihrem Vorgarten, und ihr Leben war zerstört.
»Sally war es. Fragt ihre Mum«, lautete die prägnanteste Schlagzeile.
»Die Presse findet immer alles raus«, sagte Coleridge, als Trisha ihm erzählte, was passiert war. »Die sind viel besser als wir. Vor denen kann man nichts verbergen. Sie veröffentlichen es nicht jedes Mal, aber sie wissen es immer. Sie sind bereit, dafür zu zahlen. Und wenn man bereit ist, für Informationen zu bezahlen, wird man früher oder später auch jemanden finden, der sie einem verkauft.«
42. Tag 19:30 Uhr
»Hausbewohner, hier spricht Chloe. Könnt ihr mich hören?«
Ja, das konnten sie.
»Die fünfte Person, die das Haus verlassen wird, ist...«
Die traditionelle Pause...
»Sally!«
In diesem Moment machte Sally fast ein wenig Fernsehgeschichte, da sie als erste Kandidatin einer dieser Sendungen im Stil von Hausarrest nicht »Yeah!« schrie und mit der Faust ins Leere boxte, als freute sie sich, dass sie gehen musste.
Stattdessen sagte sie: »Also glauben hier drinnen auch alle, ich hätte es getan.«
»Sally«, fuhr Chloe fort, »dir bleiben neunzig Minuten, dich zu verabschieden und deine Sachen zu packen, und dann sind wir wieder da, denn du hast ein Date im Live-Fernsehen!«
Sally ging in den Küchenbereich und kochte sich einen Becher Tee.
»Ich glaube nicht, dass du es getan hast, Sally«, sagte Dervla, aber Sally lächelte nur.
Dann ging sie in den Beichtstuhl. »Hallo, Peeping Tom«, sagte sie.
»Hallo, Sally«, sagte Sam, die beruhigende Stimme von Peeping Tom.
Im Monitorbunker rückte Geraldine mit Stift und Block in der Hand ganz nah vor den Bildschirm — bereit, Sam ihre Worte in den Mund zu legen. Sie wusste, wie vorsichtig sie sein musste. Direkt vor ihren Augen baumelte die Aussicht auf wirklich gutes Fernsehen, und das Ergebnis war am Ende erheblich besser als erhofft.
»Ich gehe davon aus, dass die Presse das mit meiner Mum inzwischen rausgefunden hat«, sagte Sally. »Dass sie seit zwanzig Jahren im Ringford Hospital festgehalten wird.«
»Das Allerletzte«, flüsterte Geraldine. »Die schlimmste Klapsmühle von allen.«
»Die ganze Zeit, seit Kelly nicht mehr lebt, stelle ich mir immer dieselbe Frage«, fuhr Sally fort. »Könnte ich es getan haben? Wäre es möglich, dass ich in eine Art Trance gefallen bin? Dass ich diesen Schwitzkasten betreten und mich in meine Mutter verwandelt habe? Meine Mum hat mir erzählt, sie konnte sich an überhaupt nichts mehr erinnern, nachdem sie es getan hatte, und als die Polizei mit mir gesprochen hat, konnte ich mich kaum noch erinnern, in diesem Schwitzkasten gewesen zu sein. Also habe ich es vielleicht getan und kann mich genauso wenig erinnern? War ich in einer schwarzen Kiste in der
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