Tödlicher Ruhm
nur halb beherrschte. Nach einigen Diskussionen war es ihm gelungen, die Bürokraten, die sein Budget verwalteten, davon zu überzeugen, dass die Art der Beweismittel, die ihm zur Verfügung standen, die Anmietung diverser Video- und Fernsehgeräte rechtfertigte. Doch nun bestand sein Problem darin, dass sie so ungeheuer kompliziert waren. Hooper dagegen konnte all dieses Equipment problemlos bedienen und war auch nicht gerade zurückhaltend, wenn es darum ging, seine Überlegenheit herauszustreichen.
»Eins könnte ich für Sie tun, Sir: Ich könnte die Tapes vom Video mit meinem Camcorder auf Digitalformat uploaden, per Flywire auf das neue iBook rüberschießen, das man uns gegeben hat, dann die relevanten Brocken zusammenschnippeln und mit meiner Film-Software komprimieren, dann als jpeg exportieren und Ihnen direkt zumailen. Sie könnten es sich auf Ihrem Handy ansehen, wenn Sie an der Ampel stehen, vorausgesetzt, wir beschaffen Ihnen eins, das WAP-fähig ist.«
Coleridge hatte soeben erst gelernt, wie man den eingebauten Anrufbeantworter an seinem Telefon benutzte. »Ich mache mein Handy im Wagen aus. Sie sind sich doch darüber im Klaren, dass es verboten ist, sein Handy beim Fahren zu benutzen, oder?«
»Ja, Sir, absolut.«
Sie wandten sich wieder ihrer Aufgabe zu. Coleridge hielt eine Stelle auf dem Band bereit, die eine Diskussion am dritten Tag zeigte, bei der sich die Gruppe über Nominierungen unterhielt.
»Morgens bin ich am gefährdetsten, was eine Nominierung angeht«, sagte Dervla gerade, »denn da fahre ich Leute off an und verletze sie. Morgens bin ich scheiße, da will ich einfach mit niemandem reden.«
Coleridge stellte die zweite Maschine ab und kehrte wieder zu dem Band zurück, auf dem sich Dervla die Zähne putzte.
»Es mag ihr nicht gefallen, sich mit anderen zu unterhalten«, meinte Coleridge, »aber offensichtlich spricht sie gern mit sich selbst.«
Auf dem Bildschirm zwinkerte Dervla wieder in den Spiegel und sagte: »Hallo, Spiegel, einen wunderschönen guten Morgen wünsch ich dir.«
»Und jetzt sehen Sie sich ihre Augen an«, sagte Coleridge und starrte auf den Bildschirm. Tatsächlich zuckte der Blick ihrer strahlend grünen Augen abwärts und verweilte etwa dreißig Sekunden an der Stelle, wo sich ihr Bauchnabel spiegeln musste.
»Vielleicht sieht sie sich ihren Nabel an, Sir. Der ist wirklich süß.«
»Derartige Bemerkungen interessieren mich nicht, Sergeant.«
In diesem Moment blickte Dervla lächelnd auf. Ihre Augen leuchteten. »Oh, ich liebe diese Leute!«, lachte sie.
»Diese Bilder stammen vom zwölften Tag, dem Morgen nach den ersten Nominierungen«, sagte Coleridge. »Sie erinnern sich bestimmt, dass niemand Dervla nominiert hat, wovon sie natürlich eigentlich nichts wissen durfte.«
Hooper fragte sich, ob Coleridge auf etwas gestoßen war. Jeder wusste, dass Dervla die Gewohnheit hatte, vor dem Badezimmerspiegel zu lachen und Selbstgespräche zu führen, was stets als lustige Schrulle betrachtet wurde. Konnte mehr dahinter stecken?
»Ich habe mir von Experten eine Zahnputzsammlung zusammenstellen lassen«, sagte Coleridge.
Hooper lächelte. Nur Coleridge glaubte, man bräuchte »Experten«, um Videoaufnahmen zusammenzustellen. Er bastelte selbst ständig kleine Privat-Movies auf seinem PowerBook.
Coleridge legte seinen Zusammenschnitt ein, und gemeinsam sahen sie sich an, wie Dervla ihrem Spiegelbild gegenüber immer wieder kryptische kleine Kommentare fallen ließ, bevor sie sich die Zähne putzte.
»Oh, Gott, ich frage mich, wie man mich da draußen wohl sieht«, sagte sie. »Mach dir nichts vor, Dervla! Alle lieben Kelly, sie ist ein süßes Mädchen.«
Coleridge stellte das Video ab. »Wie standen Dervlas Chancen, das Spiel zu gewinnen, als Kelly ums Leben kam?«
»In der Beliebtheitsumfrage im Internet war sie auf dem zweiten Platz«, antwortete Hooper. »Ebenso bei den Buchmachern, aber das machte keinen Unterschied, denn Kelly lag meilenweit vorne.«
»Also war Kelly Dervlas Hauptrivalin, was die Beliebtheit bei den Zuschauern anging?«
»Ja, aber das konnte sie natürlich nicht wissen. Oder sie sollte es zumindest nicht.«
»Nein, natürlich nicht.«
Coleridge drückte erneut den Startknopf am Videorecorder.
»Ich frage mich, wen die Zuschauer wohl am liebsten mögen«, sinnierte Dervla neckisch. Nur einen Augenblick später zuckte ihr Blick abwärts.
44. Tag 00:00 Uhr
Coleridge nahm den Hörer ab. Es war Hooper, der von Peeping Toms
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