Tödlicher Ruhm
Produktionsbüro aus anrief. Er klang zufrieden.
»Ich habe hier den Dienstplan, Sir. Erinnern Sie sich an Larry Carlisle?«
»Der Kameramann, der in der Mordnacht Dienst hatte?«
»Genau der. Er ist ein echt fleißiger Bursche. Anscheinend hat er sich die Tatsache zu Nutze gemacht, dass eine ganze Reihe von Leuten die Arbeit für diese Sendung aus Langeweile aufgegeben haben. Er hat doppelt so viele Schichten geschoben wie alle anderen. Oft sogar im Rhythmus acht Stunden Dienst, acht Stunden frei. Er liebt die Sendung und scheint gar nicht genug davon kriegen zu können. Und außerdem hat er bisher fast jeden Morgen das Badezimmer übernommen. Falls Dervla mit irgendwem durch den Spiegel plaudert, dann mit Larry Carlisle.«
»Der Kameramann, der in der Mordnacht Dienst hatte«, wiederholte Coleridge.
45. Tag 7:58 Uhr
Obwohl Coleridge erst wenige Minuten in dem dunklen, heißen Korridor stand, hatte er schon genug. Er fühlte sich wie ein Spanner, es war ekelhaft.
Der Ost-West-Kameragang im Peeping-Tom-Haus hieß bei den Teams, die darin arbeiteten, nur »Schaumgang«, weil er zum Teil die verspiegelte Duschwand und die Spiegel über dem Waschbecken abdeckte, die oft mit Seifenschaum vollgespritzt waren. Der Nord-Süd-Gang wurde als »Trockengang« bezeichnet.
Die beiden Gänge hatten glatte, hochpolierte schwarze Böden und waren vollständig mit dicken schwarzen Decken verhängt. Licht drang lediglich aus dem Inneren des Hauses und schimmerte durch die lange Reihe von Spiegeln entlang der Innenwand des Korridors. Die Kameraleute waren gänzlich in schwarze Decken gehüllt und glitten lautlos wie riesige, kohlrabenschwarze Gespenster hin und her.
Coleridge hatte gesehen, wie Jazz vom Jungenschlafzimmer und durch den Wohnbereich gegangen war, um die Toilette zu benutzen — dieselbe Toilette, die Kellys letzter Aufenthaltsort auf dieser Welt gewesen war, und der einzige Teil des Hauses, der nicht durch die Spiegel einzusehen war. Coleridge knirschte mit den Zähnen, während er gezwungenermaßen der wahrscheinlich längsten Harnabsonderung der Menschheitsgeschichte lauschen musste. Ihm fehlten die Worte, um dem Entsetzen und der Abscheu Ausdruck zu verleihen, die er bei dieser Geschmacklosigkeit empfand. Hatte es je ein besseres Beispiel dafür gegeben, dass es der Menschheit zutiefst an Würde und Anmut mangelte? Hier, wo mit so viel Sorgfalt, derart immenser Genialität und solch ungeahnten Mitteln das Kommen und Gehen auf einer Gemeinschaftstoilette für die Nachwelt erhalten wurde.
Es war acht Uhr und Zeit für den Schichtwechsel im Schaumgang. Coleridge hörte leises Rauschen, als eine dick gepolsterte Tür aufgezogen wurde und Larry Carlisle, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, hereinschlich. Er trug sogar eine Skimaske, was die finstere, kalte Atmosphäre im Gang nur noch verstärkte. Wortlos verschwand Coleridge unter der Decke, unter der die Kamera samt ihrem Dolly verborgen war, während der vorherige Kameramann auf der anderen Seite herauskam und davonschlich.
Coleridge schob sich ins Dunkel und zog seinen schwarzen Kapuzenumhang fest. Man hatte Carlisle nichts davon gesagt, dass Coleridge im Gang sein würde, sodass er sich wie üblich ganz allein dort glaubte.
Am anderen Ende des Hauses kam Dervla aus dem Mädchenzimmer und ging in den Wohnbereich. Sie betrat das Badezimmer und ging zur Dusche, wo sie ihr Hemd auszog und ihre übliche Duschmontur aus abgeschnittenem Shirt und Höschen offenlegte.
Instinktiv wandte Coleridge sich ab. Dort stand eine Dame in unbekleidetem Zustand, und es war unschicklich, sie anzusehen.
Auch Carlisle folgte seinem natürlichen Instinkt, nämlich dem eines Reality-TV-Kameramannes, indem er durch den dunklen Gang glitt, um der nackten Haut so nahe wie möglich zu kommen.
Dervla trat unter die Dusche und fing an, sich zu waschen. Coleridge zwang sich, wieder hinzusehen. Es war nicht so, dass er den Anblick der fast nackten Dervla beim Einseifen etwa unattraktiv fand, ganz im Gegenteil. Coleridge stand keinem anderen Mann in seiner Bewunderung des weiblichen Körpers nach, und ganz besonders Dervla mit ihrer jugendlichen, athletischen Anmut entsprach genau seinem Geschmack. Nein, nein, Coleridge wollte sich am liebsten abwenden, weil er sie attraktiv fand. Er war ein zutiefst christlicher Mensch. Er glaubte an Gott und wusste, dass es Gott keineswegs gefallen würde, wenn sich Coleridge daran aufgeilte, nichts ahnende junge Frauen in ihrer Unterwäsche zu
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