Tödlicher Schnappschuss
Grundmann blickte an ihm vorbei in die Wohnung.
»Längst über
alle Berge - und davon habt ihr ja hier genug.« Ulbricht schüttelte
den Kopf und berichtete Grundmann, was geschehen war.
»Ich hatte keine
Chance, hab den Kerl noch nicht mal zu Gesicht bekommen. Aber er hat eine
starke Rechte, Mann.«
Ulbricht versuchte den
Schmerz zu unterdrücken. »Die Frage sollte daher lauten: Was
wollte er hier? In Vorbergs Wohnung gibt es nichts zu holen.«
»Stimmt. Außer
einer scheißteuren Hi-Fi-Anlage, einem ultramodernen
Flachbildfernseher an der Wand und wer weiß, was noch alles«,
nickte Grundmann ironisch. »Wahrscheinlich war es kein Geheimnis,
dass Vorberg gut verdient hat.«
»Dann sehen wir jetzt
einfach nach, ob etwas von dem, was ihr bei eurem letzten Besuch noch
gesehen habt, verschwunden ist.«
Die Kollegen hatten keine
Einwände. Nachdem sich die uniformierten Polizisten davon überzeugt
hatten, dass sich der Täter nicht mehr in der Wohnung aufhielt,
durchstreiften sie jedes Zimmer.
»Nichts fehlt«,
brummte Grundmann, und Ulbricht wurde den Verdacht nicht los, dass er
über diesen Umstand ein wenig enttäuscht war. Die teuren
Elektronikgeräte befanden sich noch alle an ihrem Platz. Diebstahl wäre
sicherlich ein einfacheres Motiv für den Einbruch in der Wohnung
eines ermordeten Fotografen gewesen.
»Was bedeuten könnte,
dass der Täter etwas anderes gesucht hat. Etwas, das nur für ihn
von Interesse war.«
»Und was soll das sein?«
»Denken Sie nach - es
ist doch Ihr Fall. Ich bin ja hier nur zur Kur.« Plötzlich
hatte es Ulbricht eilig. Ihm fiel ein, dass er am Nachmittag noch eine
Anwendung bei seinem Kurarzt in Bad Pyrmont hatte. Er warf einen Blick auf
seine Armbanduhr. »Es ist spät, und ich muss zum Onkel Doktor.
Wir telefonieren dann.« Ohne ein weiteres Wort marschierte Ulbricht
an Grundmann vorbei, der mit offenem Mund dastand und keine Einwände
gegen Ulbrichts Verschwinden hatte. Als er im Erdgeschoss angekommen war,
wurde die Wohnungstür geöffnet, und Frau Hutmacher hielt das
besorgte Gesicht in den Hausflur.
»Und?«, fragte
sie leise.
»Er ist abgehauen, und
auf den ersten Blick fehlt nichts.«
»Komisch, finden Sie
nicht?«
»Das kommt darauf an.«
Ulbricht grinste schief. »Wer hat eigentlich die Kollegen gerufen?«
»Oh, das war ich. Als
ich sah, was da oben geschah, habe ich die Polizei gerufen.«
»Das haben Sie gut
gemacht, Frau Hutmacher.«
»Hier ist Ihr Block und
der Stift. Hätten Sie beinahe vergessen.«
Martha Hutmacher hielt ihm
seine Schreibutensilien hin, die er vorhin liegen lassen hatte. Er warf
einen Blick darauf, bedankte sich und steckte beides in die Manteltasche.
»Machen Sie sich nur
keinen Kopf über die Tischdecke - die Kaffeeflecken kriege ich mit
dem nächsten Waschen schon wieder raus.«
»Gut«, sagte
Ulbricht und machte eine schuldbewusste Miene, dann verabschiedete er sich
und machte, dass er zu seinem Auto kam. Es war spät geworden. Der
Arzt hatte ihm geraten, jeden Stress zu vermeiden. Also schlenderte er gemächlich
zum Parkplatz unweit der Weser.
Bad Pyrmont, 16.05 Uhr
Er war spät dran. Aber
er hatte sich an die Regeln gehalten, die ihm der Arzt verordnet hatte:
Keinen Stress. Als er das gelbe Ortseingangsschild des Kurortes passierte
und auch das Schild mit dem geschwungenen roten Kreuz auf weißem
Grund sah, das den Ort als Staatsheilbad auswies, versuchte er das Erlebte
zu verdrängen. Ulbricht kurbelte das Seitenfenster herunter und sog
die lauwarme Nachmittagsluft tief in seine Lungen ein. Dennoch hatte er für
das mediterrane Ambiente kein Auge. Nach einigem Suchen fand er einen freien Parkplatz in der Nähe
des Hylligen Borns, löste einen Parkschein und wollte sich gerade
über die horrenden Parkgebühren aufregen, als er sich daran
erinnerte, dass ihm der Arzt auch jede Aufregung verboten hatte. Während
er sich fragte, ob er überhaupt noch etwas durfte, eilte er über
den breiten Bürgersteig zum Kurhotel. Als er sich auf Höhe des
Steigenbergers befand, bemerkte er ein Vibrieren in der Innentasche seines
Mantels. Er blieb stehen und zog das Handy hervor. Am anderen Ende der
Leitung war Maja.
»Was machst du denn für
Sachen?« In ihrer Stimme schwang eine Mischung aus Besorgnis und Amüsement
mit.
Offenbar hatte Grundmann ihr
mit Genugtuung von seinem missglückten Versuch, einen
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