Tödlicher Schnappschuss
Küche signalisierte Martha Hutmacher, dass der Kaffee fertig
war. Sie lächelte und erhob sich. »Wie trinken Sie Ihren
Kaffee?«, fragte sie im Hinausgehen.
»Schwarz bitte«,
antwortete Ulbricht. Er hörte sie in der Küche mit Geschirr
herumklappern, dann tauchte sie mit einem Tablett im Raum auf. Vorsichtig
jonglierte sie es auf den Tisch, dann stellte sie die Tassen auf und goss
den Kaffee aus einer weißen Porzellankanne mit dezentem Goldrand
ein. Aus einem kleinen Kännchen nahm sie sich einen Schluck Milch,
dann setzte sie sich wieder. Scheinbar gedankenverloren rührte sie in
der zierlichen Tasse, die sie sonst wahrscheinlich nur an den Sonntagen
herausholte, wie Ulbricht vermutete. Während
der Zeremonie, die weitgehend schweigend verlief, war nur das Ticken der
Wanduhr zu vernehmen.
»Der Name des Freundes
ist mir allerdings wieder eingefallen.«
»Wie bitte?«
Ulbricht trank einen kleinen
Schluck. Der Kaffee schmeckte hervorragend, gar nicht zu vergleichen mit
der Pampe im Kurhotel. Er war, was Kaffee anging, ein Genießer.
»Sie fragten doch bei
Ihrem ersten Besuch, ob der Herr Vorberg in seiner Wohnung arbeitete«,
erinnerte Martha Hutmacher ihn.
Nun dämmerte es
Ulbricht. »Ach«, sagte er, »Sie meinen den Freund, in
dessen Fotostudio Christian Vorberg ab und zu arbeitete.«
»Richtig.« Wieder
ein Schluck Kaffee, wieder kehrte Schweigen ein.
Ulbricht zog den kleinen
Notizblock, den er - eher aus Gewohnheit - ständig bei sich trug, aus
der Tasche und zückte einen Stift.
»Torsten Maar heißt
er, und er betreibt ein Fotostudio in Bodenwerder.« Sie diktierte
ihm die Adresse, und einmal mehr stellte Ulbricht fest, wie fit die alte
Frau war. Er notierte die Anschrift und bedankte sich höflich.
»Und sonst?«,
fragte er dann. »Gibt es sonst noch Leute, die Ihnen eingefallen
sind?«
»Er war ein Eigenbrötler,
wenn Sie verstehen, was ich meine.« Martha Hutmacher schüttelte
den Kopf. »Fragen Sie diesen Maar, vielleicht kann er Ihnen mehr erzählen.
Ich bin nur eine alte Frau und sicher nicht der Umgang, den sich Herr
Vorberg gewünscht hätte. Ich frage mich, ob er…«
Ein Poltern ließ sie
erschrocken zusammenfahren. Sie brach ab, als im Haus Geräusche laut
wurden. Lauschend legte sie den Kopf schräg, und Ulbricht konnte eine
steile Falte auf ihrer Stirn stehen sehen.
»Verdammt, was ist denn
da los?«, fragte er und legte Stift und Zettel fort. Die einzige
Wohnung im Haus, die nicht zu Martha Hutmachers Räumlichkeiten gehörte,
war die von Christian Vorberg. Der lebte nicht mehr - die Wohnung war von
den Kollegen des 1. Fachdezernates nach der Spurensicherung versiegelt
worden. Wer also trieb sich in der Wohnung des Toten herum?
Ulbricht war aufgestanden und
hatte dabei prompt seine Tasse umgestoßen. Die braune Brühe
bildete auf dem weißen Tischtuch einen unansehnlichen Fleck. Er
murmelte eine halbherzige Entschuldigung und stürmte an der
fassungslosen Martha Hutmacher vorbei. Ein paar lange Schritte genügten,
und er stand im Korridor der Wohnung. Nachdem oben Ruhe eingekehrt war,
konnte er die Schritte nun wieder deutlich hören.
Martha Hutmacher stand hinter
ihm.
»Wer treibt sich denn
da oben rum?«, zischte Ulbricht.
»Sie sind der Polizist«,
erwiderte die alte Dame. »Kümmern Sie sich darum.«
»Na danke.«
Ulbricht schnaubte wütend und öffnete die Wohnungstür so
leise wie möglich. Nun sehnte er sich doch nach seiner Dienstwaffe,
die natürlich im Wuppertaler Polizeipräsidium weggeschlossen
war. Sekundenlang spielte er mit dem Gedanken, Maja anzurufen, doch es würde
zu lange dauern, bis sie hier war, also musste er handeln. Ulbricht setzte
einen Fuß auf die unterste Stufe und unterdrückte einen Fluch, als das Holz unter seinem Gewicht
knarrte. So leise wie es ging, schlich er sich in das obere Stockwerk des
Hauses. Wer auch immer sich in der Wohnung von Christian Vorberg aufhielt,
er schöpfte keinen Verdacht. Für Ulbricht hörte es sich an,
als rücke der ungebetene Besucher die Möbel, die von den
Einbrechern umgeworfen waren, zurecht.
Als Ulbricht den oberen
Treppenabsatz erreicht hatte, blickte er sich um. Martha Hutmacher stand
zitternd vor Angst im Rahmen ihrer Wohnungstür und blickte zu ihm
hoch. Nervös spielte die alte Dame mit ihrer Perlenkette und schüttelte
immer wieder das ergraute Haupt.
»Ich mach das
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