Tödlicher Schnappschuss
beide nicht leicht, im ständigen Konkurrenzkampf zu leben. Dass sie
sich nicht sonderlich leiden konnten, liegt wohl auf der Hand.«
»Und dann sucht er nach
dem Mord an seinem Bruder dessen Wohnung auf?« Ulbricht atmete tief
durch. »Das stinkt doch zum Himmel, Maja. Wenn er nicht eingebrochen
wäre, hätte sein Besuch private Gründe haben können,
aber so…« Er brach ab.
»Er hat etwas in der
Wohnung gesucht, und du hast ihn dabei gestört.«
»Aber was hat er
gesucht?«
»Das würde ich ihn
gern selbst fragen.«
Maja lachte auf. Du willst
dich nur an ihm rächen, Norbert. Du bist ein gekränkter Schwan.«
»Unsinn, ich will mich
nicht rächen. Er wird seine gerechte Strafe noch bekommen. Heute
schaff ich es nicht mehr, aber lasst ihn bloß nicht laufen, bevor
ich mit ihm gesprochen habe, hörst du?«
»Norbert«,
schnaufte sie, »und wie stellst du dir das vor?«
»Ich muss los, tut mir
leid. Aber ich melde mich später - versprochen.« Er drückte,
bevor Maja protestieren konnte, den roten Knopf und ließ das Handy
wieder in seine Tasche gleiten. Ulbricht hatte eine Idee, was Vorbergs
Bruder in der Wohnung gesucht haben könnte. Doch das würde er
ihn gern selbst fragen …
Pyrmonter Straße,
Hameln, 20.10 Uhr
Als sie den Wagen um die Ecke
lenkte, sah sie ihn vor dem Haus stehen. Er stand da und rauchte, ging auf
und ab. Fünf Schritte nach Westen, machte kehrt und marschierte fünf
Schritte nach Osten, den Blick auf seine Schuhspitzen gerichtet. Im Laufen
blickte er immer wieder zu ihren Fenstern hinauf. Wie er das tat, mit
hinter dem Rücken verschränkten Händen, erinnerte Ulbricht
an einen dozierenden Professor. Als sie mit dem Wagen am Straßenrand
hielt, unterbrach er seine Wanderung und blickte zu ihr ins Auto.
»Na endlich«,
rief er durch das offene Seitenfenster.
Maja rangierte den Corsa in
eine freie Parklücke und stieg aus. »Sehe ich richtig? Rauchst
du etwa?«
Eilig trat er die Zigarette
mit der Sohle aus und schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht mehr«,
bemerkte er mit schuldbewusster Miene. Offensichtlich schämte er sich
für den Ausrutscher.
»Wartest du schon
lange?«
»Seit ein paar Stunden«,
behauptete er, doch sie spürte, dass er übertrieb.
»Kommst du noch auf
'nen Kaffee mit hoch?«, fragte sie und zwinkerte ihm zu.
Ulbricht schüttelte den
Kopf. »Auf gar keinen Fall, mein Arzt hat mir geraten, weniger
Kaffee zu trinken.« Er klopfte sich auf die Brust. »Die Pumpe«,
sagte er wie ein leidender Achtzigjähriger. »Ich muss ein
bisschen aufpassen.«
»Rotwein soll gut für
Herz und Kreislauf sein.« Sie hakte sich bei ihm unter und zog ihn
durch den kleinen Vorgarten zum Hauseingang.
»Da kann ich natürlich
nicht nein sagen.« Nun grinste er wie ein kleiner Junge, den man bei
einem Streich ertappt hatte. Lachend
verschwanden sie im Hauseingang. Dass sie dabei beobachtet wurden, hatten
sie beide nicht bemerkt.
*
»Sie sind zusammen ins
Haus gegangen.« Er sprach leise in sein Telefon, obwohl sich niemand
in Hörweite aufhielt. In diesem Teil der Pyrmonter Straße war
es abends ruhig, und er hatte sich hinter einem geparkten Lieferwagen
versteckt, um dem Wuppertaler Kommissar nicht aufzufallen.
»Zwischen denen läuft
doch was.«
»Die sind alt.«
»So alt nun auch wieder
nicht.« Die Stimme im Hörer lachte meckernd. »Wahrscheinlich
beschäftigen die sich jetzt mit sich selbst. Damit sind sie keine
Gefahr mehr für uns. Also - zieh dein Ding durch, wie wir es
besprochen haben.«
»Diese Klausen
ermittelt aber nicht alleine.«
»Die anderen Bullen
haben auch mal Feierabend. Also sieh zu, dass du nicht auffällst,
dann klappt auch alles, was ich dir gesagt habe.«
Es klickte im Hörer. Er
hatte aufgelegt. Ratlos blickte er auf das Display und schob das Handy in
die Tasche seiner ausgebeulten Jeans. Er hatte einen Auftrag, und er
brauchte das Geld, also war er nicht in der Position, Fragen zu stellen.
Eigentlich hielt er nichts von krummen Dingern, doch er stand vor der Wahl
- pleite oder mit Nebenjobs wie diesem viel Geld verdienen. Lange überlegen
musste er nicht, also schwang er sich auf sein altes Fahrrad, das er an
einen Laternenpfahl gelehnt hatte und radelte zum Torbayufer hinunter. Es
war doch alles nur ein Job, und im Grunde hatte er mit keinem der Menschen
etwas zu tun. Also tat er seinen
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