Tödlicher Schnappschuss
…«, setzte Ulbricht an und fingerte an dem Windlicht herum,
um sich an dem bunten Glas die Finger zu verbrennen. Er fluchte leise und
zog die Hand zurück.
»Ich weiß, was du
sagen willst«, unterbrach Maja ihn. »Aber wir müssen
alles beachten. Natürlich waren die beiden befreundet, und somit ist
nicht auszuschließen, dass sie einen Schlüssel von seinem Wagen
aufbewahrt hat. Aber es ist schon komisch, dass beim Toten auf Burg Polle
kein Fahrzeugschlüssel gefunden werden konnte, obwohl er mit dem
Wagen dorthin gekommen war.«
»Ich kann das erklären«,
stammelte Ulbricht, wurde aber prompt noch einmal von Maja unterbrochen.
Sie winkte ab.
»Das kann ich mir auch
erklären«, sagte sie lächelnd. »Es kann nur
bedeuten, dass die beiden gemeinsam zu nächtlicher Stunde zur Burg
Polle gefahren sind.
Warum, erschließt sich
uns noch nicht vollständig, aber wir werden das Geheimnis noch lüften,
auch wenn Vorberg und Voosen tot sind und wir sie nicht mehr fragen können.
Wahrscheinlich sind sie nicht noch einmal dorthin gefahren, um die
herrliche Aussicht auf den Flusslauf zu genießen. Womöglich gab
es dort ein Treffen mit einem Geschäftspartner oder etwas in dieser
Richtung, vielleicht auch eine Lösegeldübergabe.«
»Ich will…«
Ulbricht gab es auf, als er mit einer Geste zum Schweigen gebracht wurde.
»Ich will auch nicht
ausschließen, dass bei der Lösegeldübergabe etwas falsch
gelaufen ist. Vorberg wurde erschossen. Von wem?« Sie zog die
Mundwinkel nach oben. »Von Alexandra Voosen, die das Lösegeld für
sich alleine haben wollte? Tatmotiv wäre dann Habgier und ist nicht
selten bei Mördern. Oder gab es den großen Unbekannten, der die
beiden zur Burgruine bestellt hat, um sie dort zu erschießen?
Vielleicht ist es Alexandra Voosen gelungen, zu flüchten. Sie ist
vielleicht zur Straße hinunter und wurde dort von einem Anhalter
mitgenommen, der sie nach Hause brachte. Unter Schock stehend, konnte sie
mit keinem darüber sprechen und hat den Schlüssel des Porsche
aufbewahrt. Vielleicht ist sie auch zur Burg gefahren, weil Vorberg schon
etwas getrunken hatte. Immerhin stand er zum Tatzeitpunkt unter dem
Einfluss von Drogen. Viele, die einen Joint rauchen, trinken dazu auch
Alkohol. Ich werde das morgen im Obduktionsbericht nachlesen.«
Maja hatte sich in Rage
geredet, und ihre Wangen glühten wie Bratäpfel an einem kalten
Winterabend.
So abwegig war das, was sie
sagte, gar nicht, fand Ulbricht.
Er hatte längst
beschlossen, ihr morgen zu beichten, dass er mit Vorbergs Porsche
unterwegs war. Nicht mehr heute.
DREIUNDZWANZIG
Das Treffen in Daubers
Sitzungsraum verlief eher wortkarg. Alle brüteten vor sich hin und
schlürften starken Kaffee, um sich wach zu halten. Die Mitarbeiter
des Ersten Fachdezernates im Zentralen Kriminaldienst waren übernächtigt,
und auch Maja war mitten in der Nacht noch einmal zur Polizeiinspektion
gefahren, um sich in den Obduktionsbericht von Christian Vorberg
einzulesen. Sie hatte gespürt, dass sie unmittelbar vor der Auflösung
des Falles standen, und suchte nun nach jedem erdenklichen Strohhalm, der
den entscheidenden Hinweis brachte. Immer und immer wieder hatte sie sich
am Monitor die 360°-Aufnahmen vom Tatort in Polle angeschaut. Die mit
der Sphäron-Kamera aufgenommenen Bilder waren beeindruckend, doch sie
brachten Maja auch keinen weiteren Hinweis. Es deutete viel darauf hin,
dass Vorbergs Mörder ihm auf der Burgruine aufgelauert hatte.
Allerdings ging aus dem Bericht der Spurensicherung nicht hervor, dass
sich Vorberg zum Zeitpunkt des Mordes in Begleitung von Alexandra Voosen
befunden hatte. Wie war sie dann an den Fahrzeugschlüssel gekommen,
den Alders' Leute in ihrem Haus gefunden hatten?
Irgendwann in den
Morgenstunden war Maja, mit den Füßen auf dem Schreibtisch, im
Bürostuhl sitzend eingeschlafen und erst aufgewacht, als der Regen an
die Bürofenster getrommelt hatte und sie sich kaum mehr rühren
konnte, nachdem sie einige Stunden schlafend in dieser unbequemen Position
verbracht hatte. Gegen sieben Uhr waren die ersten Kollegen im Büro eingetroffen, um sich
nach einer kurzen Nacht wieder in die Arbeit zu stürzen.
Dichte Wolken hatten sich wie
eine Glocke über das Weserbergland gesenkt. Der Tag erschien grau und
trostlos. Vor dem offenen Fenster des Besprechungszimmers hielt ein Müllwagen
und nahm
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