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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war, gnädige Frau«, kam es endlich. »Das könnte schließlich Ärger mit dem Chef geben, nicht? Und Ärger, wissen Sie, Ärger mag er gar nicht. Davon hat er schon genug …«
    Sie machte zwei, drei Schritte. Nur weg! Ein plattenbelegter Weg. Stufen. Sie führten hinunter zum Garagenbau.
    Sie ging weiter. Ihr Körper gehorchte wieder. Sie ging einfach. Weg …! Sie hatte bereits die Hand auf dem eisernen Treppengeländer, als er sie zurückriß.
    »Das ist die falsche Richtung, gnädige Frau. Das lassen wir jetzt. Wir beide gehen jetzt hübsch hoch in die Villa. Ein anderes Kleid würde ich mir auch anziehen. Der ganze Rock ist futsch. Und außerdem wollen wir doch erzählen, was Ihnen da gerade eingefallen war, oder nicht?«
    Vielleicht wiederholt sich alles? So jung war sie damals, fünfzehn oder sechzehn, doch in ihr tobte das gleiche Gefühl hilfloser, zorniger Ohnmacht, das sich gegen die Fesseln der Scham nicht durchzusetzen vermochte … Sie hatten Zigaretten geraucht, keinen Hasch, wie Strelau behauptete, aber der Klassenlehrer wiederholte es immer wieder: »Es macht mich traurig, Melissa. Du, meine beste Schülerin … Sich in die Toilette einsperren, um Joints zu rauchen? Schweig, Melissa. Ich weiß, daß es so ist. Es macht mich unendlich traurig …«
    Es macht mich unendlich traurig – das gleiche signalisierten Fischers Eulenaugen.
    Er sagte nichts. Er schwieg. Er saß unter dieser gelben Sonnenmarkise im Rollstuhl zurückgelehnt, die Decke über den Knien, die Finger am Schaltkästchen in der Lehne, aber sein Blick wiederholte es: Es macht mich unendlich traurig!
    Wieso lachte sie ihm nicht ins Gesicht? Wieso war ihr noch immer, als schüttle sie der Stromstoß, als zermürbe es jede Reaktion, jeden Gedanken. Dieses widerliche Schwein von Matusch aber war noch immer nicht fertig mit seinem Bericht.
    »Du hättest dich umbringen können, Melissa.«
    Was gab es darauf schon zu antworten? Wieso ließ sie sich so anstarren? Wieso machte sie dieses Irrsinnstheater noch länger mit?
    Und da kam es tatsächlich: »Es macht mich traurig. Ich will nicht nach den Gründen fragen. Ich will nur eines: Daß du weißt, was du damit bei mir bewirkt hast.«
    Bewirkt hast? Fischer als Opfer? Ausgerechnet …
    Sie drehte sich um, ging die ganze, lange Terrasse entlang, hörte das Quietschen der Gummireifen, als er den Stuhl drehte, ging ihrer Tür entgegen und war zum ersten Mal glücklich, daß sie in ihr Gefängnis zurückkehren konnte.
    Sie zog die Türe zu, zog die weißen Vorhänge vor, ging auf unsicheren Beinen ins Bad, riß sich den schweißgetränkten Stoff vom Leib, stieg in die Badewanne und ließ das Wasser der Dusche auf sich herabprasseln. Die Wasserstrahlen peitschten ihren Körper. Sie hob die Hände vor das Gesicht, betrachtete die Fingerkuppen, eine nach der anderen. Vielleicht daß die Berührung mit den Stromkabeln eine Spur hinterlassen hatte? Ein Brandmal? Sie sah nichts. Sie trug das Brandmal wohl in ihrer Seele …
    Sie trocknete sich ab, schlüpfte in den Bademantel und ließ sich aufs Bett fallen.
    Das gläserne Kameraauge war auf sie gerichtet.
    Es störte sie nicht. Man brauchte nur die Augen zuzumachen.
    So einfach war das.
    Es war das erste Mal, daß in Melissa die Angst hochkroch zu verlieren: Fischer war der Stärkere. Sie wollte es nur nicht anerkennen. Er war der Stärkere, weil er daran glaubte. Sie aber begann den Glauben zu verlieren, erschöpft fühlte sie sich, ausgebrannt, leer wie eine Hülse, sie war dankbar für die Müdigkeit, dankbar dafür, daß sie ihr vergessen half, sie schläfrig machte.
    Wie lange sie in diesem sonderbaren, schwebenden Trancezustand verharrt war, wußte sie nicht. Sie hatte Matusch auch nicht gehört, als er den Raum betrat. Sie hörte ein Räuspern, doch damit hatte sie nichts zu tun. Aber die Hand, die sich nun auf ihre Schulter legte, die Berührung, das war Realität. Melissa fuhr hoch.
    »Wie kommen Sie hier rein?«
    Der Zorn machte sie schlagartig wach. »Verlassen Sie das Zimmer! Scheren Sie sich zum Teufel!«
    Er scherte sich nicht zum Teufel. Er blieb und starrte weiter aus seinen grauen, leeren Augen auf sie herab.
    »Ich sagte Ihnen doch gerade …«
    »Richtig. Habe ich gehört. Ich geh' auch sofort. Mit Ihnen.« Und dann, nach einer höhnischen Pause sein: »Gnädige Frau …«
    Sie hielt seinem Blick stand. Doch sie begriff nicht. Und dieses dünne Grinsen? Wie konnte sie es ihm aus dem Gesicht schlagen? Schreien? Dazu fühlte sie sich

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