Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
des Grundstücks führte ein blumengesäumter Weg zwischen hohen Zypressen an der Mauer entlang zum Eingang. Dort hatte sie gestern schon einmal die Chance abgeschätzt, über die Mauer zu kommen. Es war ihr klar, daß Fischer jeden Meter der Mauer mit seinen elektronischen Spielzeugen überwachen ließ. Na und? Wenn dort im Wagen Tim saß, hatte sie es nicht weit …
    Sie ging geduckt. Violett- und rosablühende Oleanderbüsche schirmten ihren Weg. Einer der Neufundländer schlug an. Aber nun war er in seinem Zwinger. Das Bellen verstummte. Sie hörte nur das leise Summen aus der Pumpanlage, die die Umwälzung des Pools betrieb …
    Rechts war die Mauer. Aus blühenden Margeriten- und Geranienbeeten wuchs sie gut zwei Meter in die Höhe. Hier hatte sie keine Chance. Doch dort vorne, die helle, gezackte Form … der Fels!
    Ihr Herz schlug bis zum Halse. Noch einmal warf sie einen Blick zurück. Die Augen suchten das grüne Gewirr von Blüten, Sträuchern und Baumstämmen zu durchdringen. Die Frühstücksterrasse war leer. Niemand …
    Los schon! Wenn überhaupt, dann jetzt!
    Die scharfen Kanten des Muschelkalks schnitten in ihre Hand, als sie sich den Fels hochzog. Was ihr noch fehlte, war ein Meter fünfzig Mauerhöhe. Nicht mehr … Das schaffst du doch! Ja, das schaffst du …
    Die Mauer war mit sandsteinbraunem, grobkörnigem Zement verputzt. Melissa schob die linke Hand über die Krone, federte ab, hatte den rechten Ellbogen bereits auf der Kante, wollte sich nun mit der linken Hand abstützen, spürte auch noch den Schmerz, als der Verputz die Haut ihrer Fingerkuppen aufriß – und dann nichts, nichts als einen peitschenden, grellen Schlag, der jede Reaktion, jede Nervenbahn in ihr betäubte.
    Sie stürzte …
    Es wurde ihr erst klar, als sie über den Stein in die Tiefe glitt, über die Zacken und Kanten, die den Stoff ihres Kleides zerrissen. Sie stöhnte. Sie versuchte nachzudenken – vergeblich. Und dann wußte Melissa, was dieses grausame, grelle Gefühl, das sie blitzartig durchflutet hatte, bedeutete: Die Mauer war mit Strom gesichert! Sie hatte den elektrischen Draht berührt …
    Sie lag am Boden, das Gesicht in irgendeine fleischige, seltsam geformte Pflanze gepreßt. Fischers Sukkulenten … dachte sie zusammenhangslos: Seine Lieblinge … Und dann dachte sie: Du hast keine Chance! Mach dir nichts vor. Dies ist nicht eine ›Insel auf der Insel‹, wie Fischer sagte. Sein Zuchthaus ist es, der Vorhof, nein, das Zentrum der Hölle!
    Am liebsten wäre sie ewig so liegengeblieben. Aber das ging ja nicht. Schwer atmend versuchte sie sich aufzustützen. Selbst damit hatte sie Schwierigkeiten. So blieb sie auf den Knien kauern, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, rührte sich nicht, spürte nur die Tränen, die kühl über ihre Wangen rannen. Und sie blickte auch dann nicht hoch, als eine Stimme sagte: »Okay! Und wozu das Ganze? War das nicht ein bißchen leichtsinnig?«
    Nein, sie rührte sich nicht. Sie hielt die Lider fest zugepreßt, als könne sie so die Wirklichkeit aussperren. Melissa haßte sich für ihre Tränen, aber sie zurückhalten, wie denn? Langsam wandte sie ihr Gesicht. Die Welt verschwamm. Durch den fließenden Schleier erkannte sie ein paar blaue, leichte Bootsschuhe mit weißen Gummisohlen.
    »Soll ich Ihnen was sagen? So was kann leicht schiefgehen«, sagte die Stimme. »Ich weiß ja nicht, wieviel Saft da oben durchläuft, aber ein paar hundert Volt sind das schon. Und das tut nicht gut. Vor allem, wenn jemand 'nen schwachen Kreislauf hat …«
    Sie nickte, nickte tatsächlich, nickte wie eine Puppe.
    »Wie ist das, geht es einigermaßen? Können Sie aufstehen? Nein, ich helf Ihnen wohl besser …«
    Zwei Hände griffen zu, schoben sich unter ihre Achseln und zogen sie hoch. Die Knie drohten einzuknicken, tief in ihr war ein Zittern, das sich über den ganzen Körper ausbreitete, doch die Hände hielten sie fest.
    Dann war es soweit, daß sie allein stehen, ein wenig denken und vor allem sehen konnte.
    Sie blickte in ein braungebranntes, knochiges Gesicht: Matusch – Fischers Faktotum! Er hatte den rechten Zeigefinger gegen seine lange, schmale Nase gelegt. Das goldene Haar glänzte. Golden schimmerte auch das kleine Kreuz, das an einer Kette auf seiner dunkelgebräunten Brust hing. Die fleischlosen Lippen waren zu einem dünnen Grinsen verzogen.
    Und die grauen Augen sahen sie an, lange und ohne den Schatten irgendeiner Gefühlsregung.
    »Ich weiß nicht, ob das sehr klug

Weitere Kostenlose Bücher