Toedliches Verlangen
Fingerspitzen kribbelten. Ein gewaltiger Schauer fuhr durch seinen Körper, und er senkte das Kinn erneut, um mit den Lippen ihren Mundwinkel zu streifen. Der Kuss hatte seinen Namen nicht verdient; kaum eine Berührung, ein kleiner Dank für das, was sie ihm ohne ihr Wissen gegeben hatte.
Sie seufzte. »Jetzt geht es mir besser.«
»Gut«, murmelte er und zwang sich, die Hand aus ihrem Hemd zu ziehen. Er tat sich keinen Gefallen damit, sie noch länger anzufassen. Es weckte den Wunsch in ihm, sie auszuziehen und sich den Sex zu holen, den er so sehr wollte. Der Gedanke ließ Bastian zurückzucken. Er rückte ein Stück hinter sie zurück und half ihr, sich aufzusetzen. Sie schwankte. Er stützte sie, indem er ihre Ellbogen ergriff und sie festhielt, bis sie sich wieder gefangen hatte.
»Tu mir einen Gefallen, ja?« Myst blinzelte, löste sich Stück für Stück aus dem Nebel, in den der Energiefluss sie gehüllt hatte. Als ihr Blick sich klärte, verengten sich ihre Pupillen, und er konnte fühlen, wie ihr Verstand wieder einsetzte. Sie blickte ihm tief in die Augen, sah, was er vorhatte. »G-geh nicht.«
Ihr Flehen brachte ihn beinahe um den Verstand.
Heilige Scheiße. Wie machte sie das? Zwei Worte – einfach, ungefährlich und unter anderen Umständen? Verdammt heiß. Zwei Worte, das war alles. Und jetzt hielt er die Luft an, bereit, sie an sich zu ziehen und an einen ruhigen Ort zu fliehen … an einen sicheren Ort, an dem er sie hinlegen konnte.
Bastian stieß die Luft aus und zwang seine Lungen, weiterzuatmen. Er musste sie verdammt noch mal aus seinen Gedanken herausbekommen und in der Gegenwart bleiben. Nicht gehen zu wollen hieß nicht, dass er bleiben konnte. »Myst, warte hier auf mich. Ich bin nicht lange weg.«
Sie ballte die Faust und schüttelte den Kopf. Es war eine kleine, trotzige Geste … noch immer voller Panik, trotz des Energieverlusts. Der Stachel ihrer Angst drang so tief in ihn ein, dass Bastian sein Gift auf der Zunge schmecken konnte.
Er schluckte den bitteren Geschmack hinunter und murmelte: »Myst …«
»Ich habe dieses D-Ding gesehen. Lass uns hier nicht alleine.«
Bastian hätte fast geknurrt. Ding. Sie nannte Rikar ein »Ding«. Als wären er und seine Art nicht anders als die Monster unter dem Bett, vor denen sich kleine Kinder fürchteten, oder die hässlichen Bestien, die den Menschen im Kino einen Schauer über den Rücken jagten. Es sollte ihm nichts ausmachen – ihre Reaktion war ganz natürlich –, aber es half nichts. Es machte ihm etwas aus. Mehr, als er zugeben wollte.
» Bellmia , hör mir zu.«
Myst hielt seinem Blick stand. Die Verzweiflung in ihren Augen brachte ihn fast um. »Ich komme mit … hinter dir. Ich kann …«
Er legte eine Hand auf ihre Wange, brachte sie zum Verstummen. »Nein. Ich muss sie von dir und dem Baby weglocken. Tu, was ich sage. Halt durch. Bleib hier. Sie können dich nicht sehen … können dich nicht aufspüren. Der Tarnzauber wirkt, solange du dich nicht bewegst. Verstehst du?«
»Nein.«
Na ja, wenigstens war sie ehrlich. Das konnte er ihr nicht vorwerfen. Und er stand viel zu tief in ihrem Bann, als dass er etwas anderes hätte empfinden können als Stolz. Er strich mit dem Daumen über ihren Wangenknochen und flüsterte: »Halt durch, Süße. Ich komme und hole dich.«
»Bastian …« Ihre Stimme erstarb, als er sich nach hinten schob, die Hand von ihrer Wange nahm. Sie hielt ihn fest. »Nein.«
»Du schaffst das.« Mit einer sanften Drehung entwand er sich ihrem Griff und trat außer Reichweite. Wenn sie ihn noch einmal festhielt, würde er es nicht übers Herz bringen zu gehen. »Bleib hier. Vertrau mir, ich sorge dafür, dass du in Sicherheit bist.«
Ohne einen Blick zurück verschloss er sich ihrem keuchenden Atem, dem Klang und dem Geruch ihrer Angst und lief gebückt um das verrostete Heck des Buick. » Rikar … ich bin unterwegs.«
»Wurde verdammt noch mal auch Zeit.«
»Ich gehe rein und mache ihnen Feuer unterm Arsch. Komm du von hinten.«
Rikar stieß einen Schrei aus, als er die Drei-Meilen-Grenze durchbrach und die Razorback ihn spüren konnten. Als Bastian Drachengestalt annahm, spaltete sich die Aufmerksamkeit ihrer Gegner, die Hälfte galt seinem obersten Befehlshaber, die andere Hälfte ihm. Er ignorierte Mysts entsetzten Aufschrei, bleckte die Zähne und brüllte, während er dem braunen Volltrottel einen Elektroschock in den Leib jagte. So gerne Rikar ihn auch damit aufzog, er spie kein Feuer.
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