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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
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Delikatessen aus dem See.«
    »Dann lassen Sie sich von mir mal was über die Fische und Krabben aus unserem See erzählen. Sehen Sie, wie weiß das Fischfleisch ist?«
    »Ja.«
    »Fast durchsichtig, nicht wahr?«, betonte Zhang und nahm noch einen tiefen Zug aus seiner Schale.
    »Und jetzt sag ich Ihnen was: Das wurde so lange in Formalin eingelegt, bis es strahlend weiß war.«
    »Aber sind das Fischfleisch und die Krabben nicht von Natur aus weiß?«, gab Chen zu bedenken. »Ich dachte, daher kommt das berühmte ›Drei Weiß‹.«
    »Wie können Lebewesen, die in einer solchen Dreckbrühe leben, weiß und rein bleiben? Wenn man sie fängt, haben sie eine unappetitlich grüne oder schwärzliche Färbung, die auch nicht weggeht, wenn man sie anschließend in sauberes Wasser legt. Hier kommt das Formalin zur Anwendung.«
    »Verschmutzung hin oder her, die Leute müssen schließlich essen«, fügte Li mit einem dramatischen Seufzer hinzu und stopfte sich entschlossen ein Stück Fischfleisch in den Mund. »Um ehrlich zu sein, hab ich so was seit Monaten nicht mehr gegessen, ob verunreinigt oder nicht. Ein Verlierer wie ich kann nicht wählerisch sein.«
    »Konfuzius sagte: Die Riten sind außer Kraft, die Instrumente zerbrochen. Das ist es, was im heutigen China wieder passiert. Als der Vorsitzende Mao unser Land noch führte, da gab es keine Unterschiede zwischen Arm und Reich. Der Boss einer Firma verdiente genauso viel wie der Hausmeister. Die Menschen hatten sichere Arbeitsplätze und waren durch die eiserne Reisschüssel rundum versorgt.«
    »Das kannst du so nicht sagen, Zhang«, unterbrach ihn Li und stellte seine Schale ab. »Auch unter Mao hat es Unterschiede gegeben, sie waren damals nur nicht sichtbar – zumindest nicht so deutlich. Gar nicht weit von hier gibt’s zum Beispiel ein Erholungsheim, in dem hohe Kader umsonst allen erdenklichen Luxus genießen. Hatte unsereiner da je Zutritt?«
    »Ja, es galt als eines der besten Erholungszentren, und die Parteibonzen kamen früher aus dem ganzen Land angereist. Aber jetzt, wo der See so verdreckt ist, hat wohl keiner mehr Interesse.«
    War das der eigentliche Grund, warum Genosse Parteisekretär Zhao ihm seine Ferien abgetreten hatte? Zhao konnte wählerisch sein, nicht so der Oberinspektor. Er hatte den Aufenthalt hier als Glückstreffer betrachtet, aber war er das wirklich?
    »Wieder falsch«, unterbrach Li erneut und wandte sich dann an Chen. »Glauben Sie vielleicht, diese hohen Tiere würden Fische und Krabben aus dem See essen? Niemals. Deren Verpflegung wird extra angeliefert.«
    Chen nickte. Genau das hatte er bei seinem Mittagsbankett gehört.
    »Das hier ist ein See der Tränen. Immer mehr Leute erkranken an Krebs und anderen rätselhaften Krankheiten. Ein alter Freund von mir wurde als Notfall ins Hospital gebracht. Der hatte so viel Arsen im Leib, dass die Ärzte es gar nicht fassen konnten.«
    »Das liegt an der giftigen Luft, die wir jeden Tag einatmen! Immer mehr Säuglinge kommen mit Missbildungen zur Welt. Der Sohn von meinem Nachbarn war bei der Geburt mit grünen Haaren bedeckt, sah aus wie ’ne Kröte.«
    Das klang eher wie eine Fortsetzung des Trinkspiels, doch die anderen Beispiele hatten etwas erschreckend Konkretes. Chen hörte schweigend zu und rührte weder die Speisen noch sein Bier an. Er hatte ohnehin keinen Hunger gehabt, jetzt war ihm der Appetit endgültig vergangen. Die beiden jedoch aßen und ereiferten sich weiter, so als wollten sie ihren Gastgeber dadurch entschädigen.
    »Es geht nur noch um Profit. Aber man kann die Fabriken nicht allein verantwortlich machen. Was haben die Leute denn noch, außer ihrer Geldgier. Mein Großvater glaubte an die Nationalisten, aber Chiang Kai-shek hat 1949 sämtliche Goldreserven nach Taiwan schaffen lassen. Mein Vater glaubte an die Kommunisten, aber die Roten Garden haben ihn 1969 zum Krüppel geschlagen. Ich habe an die Reform unter Deng geglaubt, zumindest in den Anfangsjahren, doch dann hat der Staatsbetrieb, in dem ich gearbeitet habe, über Nacht bankrott gemacht.«
    »Und zu Mao, erinnern Sie sich noch an das Foto, wie er im Jangtse schwimmt?«, warf Zhang ein, während er mit seinen Stäbchen ein Auge aus dem Fischkopf pulte.
    »Ja, das kenne ich. Es wurde zu Beginn der Kulturrevolution aufgenommen, als Beweis für seine unverwüstliche Gesundheit.« Chen war froh, endlich auch etwas zum Gespräch beitragen zu können. »Man wollte den Massen demonstrieren, dass Mao noch in der

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