Toete John Bender
wollte, zu stark projizierten sich seine Erinnerungen an den Akt in seine Gedanken. Er lenkte sich ab, indem er sich auf die anstehenden Tagespunkte konzentrierte und erneut den weiteren Ablauf durchging. Er sah auf seine Uhr und stellte erschrocken fest, dass er sich beeilen musste. Es war kurz vor drei Uhr. Er machte sich auf den Rückweg und die bedrohliche, sich nähernde Wolkenwand am Horizont trieb ihn noch stärker zur Eile.
***
A ls Tom das Zeltlager erreichte, widmeten sich Jens, Frederik und Doris dem Abwasch, Wolfgang schlief unter der Jurte und Sascha und Silvia hatten sich zurückgezogen. Den schweren Karren die Dünen hoch zu zerren, hatte ihn Kräfte gekosten, ihn aber auch von seinen zermürbenden Gedanken befreit.
»Nachschub«, begrüßte er die Küchenhelfer, ließ seinen Rucksack herab, parkte den Karren mit den Lebensmitteln im Schatten und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Richtig schwül geworden, oder?«, begrüßte ihn Frederik.
»Wir haben dir noch eine Portion aufgehoben«, fiel ihm Doris ins Wort und Jens reichte ihm einen Teller mit Kartoffeln und gebratenem Fisch. Tom nickte Frederik zu, sah auf den Teller und hob die Augenbrauen.
»Petri Heil«, kommentierte er den Fisch anerkennend, konnte ihn aber nicht benennen. »Was ist denn das für einer? Hering?«
Jens nickte.
»Sie sollen richtig gebissen haben, sagte Wolfgang. Lag wohl am Wetter. Die Fische sprangen hoch und haben nach allem geschnappt, was sich bewegt hat.«
»Meinst du, es wird zu uns rüberziehen?«, fragte Doris und blickte sorgenvoll zu dem unheilverkündenden Farbspiel am Himmel.
»Ehrlich gesagt, langsam glaube ich, ja«, antwortete Tom offen.
Doris nickte und er begann, im Stehen zu essen. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr.
»Hast du die Fragebögen eingelesen?«, fragte er Jens.
»Warte, ich hole sie. Sind, glaub’ ich, ganz interessant.« Jens ging zum Zelt.
»Wann geht es weiter?«, wollte Frederik wissen.
Tom sah mit der Gabel in der Hand auf seine Uhr.
»In sieben, nein, warte, in sechs Minuten. Könntet ihr bitte nach Silvia und Sascha sehen und Wolfgang vorsichtig wecken?«
»Klar!«
Frederik und Doris gingen zu den Zelten und ließen Tom essen. Jens kam zurück, stellte den Laptop auf den Tisch, klappte ihn auf und schaltete ihn an.
»Mit dem Licht ist es blöd, aber ich glaube, es geht gerade so«, erklärte er und hockte sich hin.
Tom stellte seinen Teller ab und besah sich die bunten Kreisdiagramme der Auswertung eines jeden Teilnehmers. In den meisten Fällen stimmte die Auswertung mit seiner Einschätzung im Vorfeld überein, lediglich bei Frederik überraschte ihn die Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung. Frederik sah sich selbst deutlich positiver und vor allem offener, als er von anderen gesehen wurde. Tom legte sich ein paar Sätze für seine bevorstehende Ansprache zurecht.
»Und? Was meinst du?«, forderte Jens eine Einschätzung von ihm.
»Was meinst du ?«, entgegnete Tom.
»Also, bei fast allen ist es so, wie wir … also du … das eingeschätzt hast. Bei Frederik finde ich das krass. Sowohl, wie er sich selbst einschätzt, aber auch wie ihn die anderen sehen.«
»Das sehe ich genauso. Wobei eine Einschätzung von anderen immer ziemlich ehrlich ist. Vor allem bei der Anzahl. Alle vier schätzen ihn ähnlich ein«, ergänzte Tom.
Jens nickte. »Übrigens hatte Frederik ein paar technische Verbesserungsvorschläge. Man könnte die Befragung in Zukunft mit Tabletops durchführen, sie über die Software synchronisieren und das Ergebnis gleich auf dem Laptop zusammenlaufen lassen. Das würde uns das Eintippen ersparen«, fiel es ihm ein.
Tom musste bei dem Vorschlag innerlich lachen, schon oft hatte er Ähnliches gehört. Er bückte sich, las eine Handvoll Sand auf und ließ sie vor Jens zu Boden rieseln.
»Deshalb machen wir es so, wie wir es machen. Wir hatten es mal testweise ausprobiert, aber die Geräte haben nicht mal eine Saison unbeschadet überstanden.«
»Ach so!«
Tom sah Doris, Frederik mit Sascha und Silvia von den Dünen kommen. Lachend gingen sie zur Jurte, um Wolfgang zu wecken. Tom registrierte, wie er sich von Silvia ablenken ließ, sie mit unauffälligen Blicken verfolgte und nach Anzeichen einer Regung – eines Wiedererkennens vielleicht – bei ihr suchte. Sie ließ sich nichts anmerken.
»Okay, lass und mal anfangen, Jens. Bringst du den Laptop weg und holst die beiden Schaufeln?«
Jens bejahte und verschwand. Tom ging zu den
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