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ihrem Minjan auf der Straße finden. Oder die Menschen unterwerfen sich einer Münze, weil sie meinen, dass Kopf oder Zahl ein Hinweis Gottes zur Auflösung des Patts liefere. Oder sie flüchten sich in eine Zusatzregel, indem sie behaupten, durch das unauflösbare Patt entfiele der Entscheidungsgrund schlechthin. Da sich der Status quo als unangreifbar erwiesen habe, müsse alles beim Alten bleiben. Mit einer ähnlich starken Logik könnte man genauso gut schlussfolgern, dass ein Patt den Status quo in völliges Nichts auflöst, weil ihm der Boden einer sicher geglaubten Mehrheit unter den Füßen weggezogen worden ist und etwas Drittes gefunden werden muss, das die beiden ineinander verkeilten Alternativen ablöst.
All dies sind keine überzeugenden Lösungen, weder zur Verbesserung der Staatsmaschine – worauf die Preisfrage der Académie de Dijon doch zielt – noch um die Unruhe zu befrieden, die meinen Kopf ergriffen hat, seit ich über das Wesen der Entscheidungsfindung nachzudenken begonnen habe. Kein Mensch ist dasselbe wert wie ein anderer, rotiert es in meinem Schädel. Kein Mensch ist dasselbe wert wie ein anderer. Kein Mensch ist dasselbe wert wie ein anderer. Kein Mensch ist …
Seit den kalten Wintern seiner Studentenjahre wusste Dottore Giancarlo Arcimboldo, wie schlecht dicht aufeinandergeschichtetes Papier brannte. Aus reinem Gaudium hatten damals die Studenten der juristischen Fakultät mit abgelaufenen Gesetzesbüchern geheizt, weil Kohle schwer zu besorgen war, und die dicken Schwarten, zumindest rechnerisch, denselben Brennwert wie Briketts besaßen.Aber es hatte eine ganze Weile gedauert, bis die angehenden Juristen herausgefunden hatten, auf welche Weise man die Gesetze präparieren musste, damit sie Feuer fingen. Seltsamerweise half nur das gegenteilige Element. Denn erst wenn man den Papierklotz in Wasser eingeweicht und aufgeklappt an der Luft hatte trocknen lassen, spreizte sich der Buchblock genügend, um zwischen den Seiten Platz für Sauerstoff zu machen. Nur unregelmäßig gewelltes Papier brannte gut, ein massiver Buchblock ließ die Flammen bloß kurz hochzüngeln und dann gleich wieder erlöschen.
Warum fiel ihm das jetzt plötzlich wieder ein?
Kein Mensch ist dasselbe wert wie ein anderer – was folgert daraus? Kann man ein vom republikanischen System abweichendes Staatsgebilde errichten, das nicht auf stupider Gleichheit beruht, aber dennoch die Hegemonie des Königs bricht?
Während ich nächtelang mit offenen Augen auf meiner Schlafstatt lag, wuchs ein algebraisches Gebilde in meinem Kopf heran, das eben diesen Zweck verfolgt und die Ansicht des großen Galilei bestätigt, Mathematik sei jenes Alphabet, mit dem Gott vor unseren Augen das Universum beschreibt.
Nun ist mir durchaus bewusst, dass dieses Alphabet von den wenigsten Leuten verstanden werden wird. Darum fasse ich, verehrter und unübertrefflicher Leser, meine Gedanken zunächst in verständliche Worte, bevor ich auf einem beigefügten Bogen jene Formel expliziere, nach der sich in Zukunft die Verteilung von Macht und Gütern richten wird. Dass es dazu kommt, bezweifle ich nicht, denn so unübersichtlich Gottes Alphabet auch konstruiert sein mag, der Herr schickt uns die rechten Hilfsmittel, es schrittweise zu entschlüsseln. So vernahm ich schon vor längerer Zeit die Kunde, mein Landsmann Giovanni Poleni habe zu Padua einen mechanischen Rechenapparat konstruiert, mit dem sich langwierige algebraische Operationen schnell und mühelos erledigen lassen – wenigstens solange feuchtes Wetter, das in Padua freilich häufiger auftritt als in neapolitanischen Gefilden, die hölzernen Zahnräder der Maschine nicht aufquellen lässt.
Fraglos wird der Fortschritt in der Maschinenbaukunst voranschreiten und uns eines Tages gänzlich von aller Selbstrechnerei erlösen, so dass die neue Staatsmaschine immer weniger unserer schwachen menschlichen Künste bedarf, sondern mit der Kraft mechanischer Klugheit regieren kann.
Wichtiger als alle Formeln erscheint mir daher, das zugrunde liegende Prinzip in klaren Worten auszudrücken:
Um zu einer neuen Staatsmaschine zu gelangen, müssen wir den Wert einer Wahlstimme von ihrem simplen Nutzen emanzipieren, der sich in der unteilbaren Zahl 1 niederschlägt. Und wir müssen die Wahlstimme aus ihrer überkommenen Starrheit in eine forellenhafte Beweglichkeit überführen.
Als Erstes setze ich dazu den Verrechnungswert der Stimme (S) mit einer Zahl größer Null und kleiner
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