Tokatas Todesspur
sogar zurück und schlugen eine Richtung ein, die der Samurai nicht gehen wollte.
Sein Weg führt ihn nicht dorthin, wo die Menschen lebten, er wollte zum Grab des heiligen Fächers und ihn holen. Nahezu heftig wandte er sich um. Er ließ den Strand hinter sich und schlug den Weg zu den Hügeln ein, wo zwischen ihnen die geheimnisvollen und längst vergessenen Täler der Insel des Schweigens lagen…
***
Die Karte hatten wir uns gut angesehen. Sehr groß war die Insel nicht, doch um sie zu durchwandern, brauchte man schon seine Zeit. Und Zeit hatten wir nicht.
Deshalb hielten wir uns auch nicht mehr lange innerhalb des Zuchthauses auf und machten uns auf den Weg. Kamosana, der Direktor, war nur noch ein Nervenbündel. Er verstand die Welt nicht mehr und hatte uns ein paarmal angefleht, nicht zu gehen und dazubleiben, denn er rechnete mit einem Überfall der mutierten Wesen.
Wir verstanden ihn zwar, aber wir konnten für ihn nichts tun. Unsere Aufgabe war ebenso wichtig. Tokata, der goldene Samurai und der heilige Fächer. Diese drei Dinge bildeten eine Linie, auf der wir uns bewegen mußten. Zunächst einmal bewegten wir uns über die Insel.
Daß der Fächer sein Versteck nicht zwischen den hohen Betonbauten gefunden hatte, davon konnten wir ausgehen, auch ohne uns erst noch großartig zu überzeugen. Wie uns der Zuchthauschef erklärt hatte, gab es genügend einsame Gebiete auf der Insel, und die wollten wir aufsuchen. Genauere Hinweise konnte uns Kamosana auch nicht geben, da weder er noch seine Leute den von uns ausgesuchten Teil der Insel jemals betreten hatten. Wieder waren wir auf uns allein gestellt. Um den einsamen Teil der Insel zu erreichen, mußten wir an der Müllkippe vorbei. Zudem hatten wir sie auch sehen wollen. Es konnte durchaus sein, daß sich dort jemand versteckt hielt. Unter Umständen hatte sich Tokata sogar die Müllkippe als Aufenthaltsort ausgesucht, um die Ankunft seines Gegners oder die Dunkelheit abzuwarten.
Die Müllkippe interessierte uns auch noch aus einem anderen Grund. Ich hatte die getötete Riesenratte gesehen, und ich wurde den Verdacht nicht los, daß dieses Tier in Nähe der Müllkippe seine Geburtsstätte hatte. Die Vermutung, die uns leitete, klang zwar etwas utopisch, aber für Suko und mich durchaus einleuchtend.
Menschen hatten diese Insel entweiht. In ihrer Arroganz waren sie so weit gegangen, eine Brutstätte der Dämonen buchstäblich mit ihrem Dreck zu zerstören. Die Schwarzblüter nahmen so etwas nicht hin. Sie würden zurückschlagen, und sie hatten zurückgeschlagen, was uns das Auftauchen der Riesenratte deutlich genug bewies. Dabei spielte keine Rolle, auf welcher Seite die anderen standen, ob sie der alten japanischen Göttergeneration angehörten oder sich zu den Schwarzblütern zählten.
Wege gab es auf dieser Insel zwar auch, aber die existierten nicht im Innern. Wir mußten uns quer durch das Gelände schlagen. Der Boden war mit einer dünnen Grasschicht bedeckt. Karges Gras, das einen gelblichen Schimmer hatte. Es trotzte auch den widrigen Witterungsverhältnissen, hielt Wind, Regen, Schnee, Kälte und Hitze stand und kam uns vor wie ein gewaltiger Teppich.
Keine Sonne stand am Himmel. Dick und dunkel waren die Wolken. Der Wind fuhr kraftvoll gegen die Insel, als wollte er sie mitsamt seinen Bewohnern aus dem Meer reißen.
Wir hörten das Rauschen der Brandung, dieses harte Klatschen der Wellen gegen eine felsige Küste. Es war die Begleitmusik auf unserem Marsch über ein Eiland, dessen Boden mit Magie getränkt war.
Als wir den ersten Hügel bestiegen hatten, konnten wir einen Blick nach Westen werfen.
Ich glaube, wir erschraken beide. Der Anblick der Müllkippe war einfach überwältigend. Allerdings im negativen Sinne, denn ich hatte nicht damit gerechnet, so einen unheimlichen Berg vor mir zu sehen. Was heißt ein Berg, das war eine Landschaft aus Schrott und Abfall. Sogar einen kleinen Hafen sahen wir und drei fest verankerte Kräne, die den Müll aus den Schiffen holten, um die Berge noch höher zu türmen.
Obwohl der Wind für uns günstig stand und den ewigen Rauchschleier in Richtung Meer wehte, nahmen wir doch diesen scharfen, beißenden Geruch wahr. Innerhalb der Müllberge brannte es immer. Da schmorte und kokelte es wie in einem alten Ofen.
Man hatte wirklich alles auf die Müllkippe gekippt. Abfall, Metallteile, Holz, Kunststoff. Wahrscheinlich schmorte der Kunststoff und sonderte diese giftigen Dämpfe ab. »Willst du näher
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