Tokio Killer - 02 - Die Rache
einmal auf Sie zu. Ähnlich diskret.»
Tanaka nickte. Er sah ein wenig blass aus.
Das Dienstmädchen brachte uns zur Tür. Der Wagen wartete draußen. Wir stiegen hinten ein und fuhren davon. Ich sagte, sie sollten mich am Meguro-Bahnhof absetzen. Tatsus Mitarbeiter fuhr das kurze Stück dorthin und wartete dann im Auto, während Tatsu und ich draußen standen und noch einmal alles durchgingen.
«Was hältst du davon?», fragte ich.
«Er sagt die Wahrheit», erwiderte Tatsu.
«Vielleicht. Aber wer hat ihn mit Biddle in Kontakt gebracht?»
Er zuckte die Achseln. «Wahrscheinlich ein Spitzel der CIA, der für beide Seiten arbeitet, jemand mit Verbindung zu Yamaoto. Falls Biddle seine Kontaktleute abgeklopft hat, um Helfer für Crepuscular zu rekrutieren, wird Yamaoto davon erfahren haben.»
«Und er wird die Chance gesehen haben, das Programm für seine Zwecke zu nutzen.»
Tatsu nickte, dann sagte er: «Was meinst du, was Yamaoto die vier Male gemacht hat, als er wusste, wann und wo Kanezaki seine Kontaktpersonen trifft?»
Ich zuckte die Achseln. «Beobachter. Einsatz von Parabolmikrofonen, Teleobjektiven, Schwachlichtvideokameras.»
«Wahrscheinlich. Nun geh mal davon aus, dass Yamaoto Audio- und Videoaufzeichnungen vom Ablauf dieser Treffen hat. Was kann er mit diesem Material anfangen?»
Ich überlegte einen Moment. «Erpressung, hauptsächlich. ‹Tu, was ich dir sage, sonst gehen diese Fotos an die Presse.›»
«Ja, das ist Yamaotos Lieblingsmethode. Und sie ist bemerkenswert effektiv, wenn die Fotos den Beweis für eine außereheliche Affäre oder Sex mit einem Minderjährigen oder für irgendein anderes gesellschaftlich inakzeptables Verhalten liefern. Aber hier?»
Ich überlegte erneut. «Du meinst, Video- und Audioaufnahmen von einem Treffen mit Kanezaki wären nicht belastend genug?»
Er hob die Schultern. «Die Audioaufnahmen vielleicht, falls das aufgezeichnete Gespräch eindeutig Belastendes hergibt. Aber das Video würde kaum Folgen haben: ein Politiker, der an einem öffentlichen Ort mit einem Mann, anscheinend Japaner, plaudert.»
«Weil keiner weiß, wer Kanezaki ist», sagte ich und begriff allmählich.
Er sah mich an, wartete darauf, dass ich die Teile zusammenfügte.
«Er muss Kanezaki bekannt machen», sagte ich. «Muss sein Bild in die Zeitungen bringen. Das würde den Fotos richtig Brisanz geben.»
Tatsu nickte. «Und wie stellt man so was an?», fragte er.
«Das gibt’s doch gar nicht», sagte ich, weil mir endlich ein Licht aufging. «Biddle hat Yamaoto in die Hände gearbeitet. Er hat Kanezaki in die Position des möglichen Sündenbocks gebracht, indem er ihm die volle Verantwortung für Crepuscular übertrug. Falls die Sache rauskäme, hätte er einen ‹Schurken›, der den Kopf würde hinhalten müssen. Aber wenn Kanezaki jetzt als Paradebeispiel für die Gaunereien der CIA Schlagzeilen macht, dann können die Politiker, die mit ihm zusammen fotografiert wurden, ebenfalls ihren Hut nehmen.»
«Richtig. Biddle kann Kanezaki nicht mehr ins offene Messer laufen lassen, ohne damit just die Reformer zu ruinieren, die er angeblich schützen will.»
«Und deshalb will er ihn tot sehen», sagte ich. «Ein netter, unauffälliger Selbstmord, um einen Skandal zu verhindern.»
Er nickte. «Biddle würde derweil die Quittungen und alles andere vernichten, was beweisen könnte, dass es Crepuscular je gegeben hat.»
Ich überlegte kurz. «Aber etwas passt da nicht zusammen.»
«Ja?»
«Biddle ist ein Bürokrat. Im Normalfall würde er nicht so mir nichts dir nichts einen Mord in Auftrag geben. Er müsste schon ziemlich verzweifelt sein.»
«Ganz recht. Und was führt zu Verzweiflung?»
Ich sah ihn an und begriff, dass ihm schon längst alles klar war. «Persönliche Gründe.»
«Ja. Die Frage lautet also, was für ein persönliches Interesse hat Biddle bei der ganzen Sache?»
Ich überlegte. «Die berufliche Blamage? Probleme mit der Karriere, falls Kanezaki auffliegt und es zum Skandal um die CIA-Niederlassung Tokio kommt?»
«Stimmt alles, ja, aber es geht um etwas Spezielleres.»
Ich schüttelte den Kopf, wusste nicht, worauf er hinauswollte.
«Was, glaubst du, hat dazu geführt, dass Biddle die Quittungen haben wollte und dich um Kanezakis ‹Selbstmord› gebeten hat?»
Ich schüttelte noch einmal den Kopf. «Ich weiß es nicht.»
Er sah mich an, vielleicht ein wenig enttäuscht, dass ich gedanklich nicht mit ihm Schritt halten konnte. «Yamaoto hat sich Biddle auf
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