Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
Kaschmirpullover mit rundem Ausschnitt, dazu eine lange, goldene Halskette von Faraone Mennella und eine schlank geschnittene Jeans, die in schokobraunen Stiefeln mit Blockabsätzen steckte. Sie erntete häufig diesen fragenden »Ist sie ein Promi?« -Blick. Gelegentlich war das ganz praktisch.
»Ich habe mal hier gewohnt«, sagte sie, als sie auf den Sepulveda Boulevard bogen, während sie nach hinten blickte und sich die Autos merkte, die ihnen folgten.
»Ach so«, sagte der Fahrer, und sie wusste, dass er ihren Blick nach hinten entweder als Wachsamkeit gegenüber irgendwelchen Paparazzi deuten würde oder aber als Rückversicherung, dass ihr auch niemand zu einem Rendezvous mit einem Liebhaber folgte. Die zweite Interpretation war zwar nicht ganz falsch, aber unvollständig.
Sie dachte unterwegs an John und an Dox. Sie hatte Angst um die beiden: um Dox aus offensichtlichen Gründen; um Rain, weil sie wusste, dass sein Urteilsvermögen wahrscheinlich getrübt war, gerade weil er so wild entschlossen war, seinem Freund zu helfen. Das beste Beispiel war, wie er letztes Jahr in eine Observierung hineingestolpert war, nachdem er Midori und ihren gemeinsamen Sohn besucht hatte. Auch da hatte Delilah ihn gewarnt, aber er hatte nicht auf sie gehört. Sie fragte sich, wieso Männer eher auf eine bestimmte Vorgehensweise fixiert waren als auf die Erreichung ihrer vorgeblichen Ziele. Sie schätzte Männer, schätzte sie über alles, aber sie musste zugeben, dass die Welt besser wäre, wenn mehr Frauen das Sagen hätten.
Als sie am Beverly Wilshire ankamen, wusste sie, dass sie sauber war. Trotzdem wollte sie sicherheitshalber noch ein Stück zu Fuß gehen. Sie machte sich auf der Damentoilette frisch, schlenderte dann bei Sonnenuntergang durch Beverly Hills und vergewisserte sich durch etliche taktische Maßnahmen, dass sie wirklich allein war. Nach einer Stunde war sie ihrer Sache sicher und stieg wieder in ein Taxi.
Als sie vor ihrer Abreise aus Paris im Bulletin Board gesehen hatte, dass Rain in L.A. war, hatte sie gleich an das Bel-Air gedacht, ihr Lieblingshotel in Südkalifornien. Sie hatte dort zweimal gewohnt und es genossen: eine luxuriöse, aber zwanglose Oase mit rosa verputzten Gebäuden im spanischen Missionsstil, die trotz der Lage mitten im Herzen der Stadt absolut abgeschieden wirkte, inmitten von weitläufigen Gärten mit Blumen und Kräutern, plätschernden Springbrunnen und schattenspendenden alten Bäumen. Das Hotel war seit seiner Eröffnung im Jahre 1946 bei Schauspielern und Hollywoodstars beliebt, weil es so friedlich, sicher und unverkrampft diskret war. Sie hatte John mitgeteilt, wo sie absteigen würde und unter welchem Namen. Sag einfach, du gehörst zu Laure Kupfer, hatte sie geschrieben, dann checken sie dich ein. Dann hatte sie das Hotel angerufen, im Voraus für die Garden Suite bezahlt und erklärt, ein Mr Ken würde vielleicht noch vor ihr eintreffen, und sie sollten ihm ruhig schon einen Zimmerschlüssel für ihre Suite geben.
Das Taxi hielt auf der ruhigen Wohnstraße vor dem Hotel, und Delilah stieg aus. Auf dem Weg zum Hauptgebäude überquerte sie eine überdachte Steinbrücke und wurde augenblicklich von der Schönheit der Anlage umfangen. Wasser plätscherte irgendwo im Dunkeln unter der Brücke; auf einer Seite wurde das Geäst alter Platanen von Bodenstrahlern beleuchtet. Sie roch den Duft von Orangenblüten und Basilikum und merkte plötzlich, dass sie völlig ausgehungert war.
Der Empfangsbereich war wie ein gemütlicher, geschmackvoller Salon eingerichtet: Polstermöbel, Landschaftsgemälde in Goldrahmen, unprätentiöse Kunstgegenstände. Im Raum war es angenehm still, und es roch leicht nach Holz und frischen Blumen. In einem offenen Kamin knisterte ein Feuer.
Delilah ging zur Rezeption und stellte sich als Laure Kupfer vor. Natürlich, herzlich willkommen, Ms Kupfer, erwiderte die Mitarbeiterin, Mr Ken war bereits eingetroffen; wünschte sie, dass jemand sie zur Garden Suite begleitete? Sie verneinte dankend und sagte, sie wolle lieber allein hinüberspazieren.
Sie überquerte eine überdachte Terrasse, und ihre Schritte warfen ein schwaches Echo. Sie hörte Stimmengemurmel und leises Lachen von einer Handvoll Gäste, die unter den Heizlampen auf der Veranda vor dem Restaurant speisten. Doch davon abgesehen genoss Delilah das köstliche Gefühl, die Oase für sich allein zu haben.
An der Garden Suite angekommen, schloss sie die Tür auf und trat in das geräumige
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