Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Titel: Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
Vom Netzwerk:
Wohnzimmer. Das Licht war an, aber Rain war nicht zu sehen. »John?«, rief sie.
    Sie erhielt keine Antwort. Ein Feuer brannte in dem steinernen Kamin, und sie nahm einen schwachen, angenehmen Rauchgeruch in der Luft wahr. Auf dem mit Saltillo-Fliesen ausgelegten Boden lag ein dicker Orientteppich mit Blumenmuster. Der Sitzbereich aus Polstermöbeln und einem hölzernen Couchtisch in der Mitte des Teppichs war absolut leer: keine Zeitung, kein abgelegtes Jackett, kein leeres Glas. Bis auf die Lampen und das Feuer deutete nichts darauf hin, dass jemand den Raum genutzt hatte.
    Plötzlich war sie beunruhigt. Rain hatte raffinierte Feinde – der beste Beweis dafür war das, was mit Dox passiert war. Was, wenn jemand …
    Dann sagte sie sich, dass sie albern war. Die Sicherheitsvorkehrungen des Hotels waren auf den Schutz von Hollywood-Prominenz abgestimmt. Sie waren hier sicher. Und selbst wenn sein Urteilsvermögen etwas aus dem Lot geraten war, Rain war nach wie vor der gründlichste, vorsichtigste, paranoideste Taktiker, der ihr je begegnet war. Er war bloß rausgegangen – vielleicht schwimmen oder im Fitnessstudio, oder er machte einen Spaziergang in einem der Gärten.
    Sie ging ins Schlafzimmer. Auch hier keine Spur von ihm – keine herumliegenden Kleidungsstücke, nicht einmal eine Delle in der Tagesdecke, wo er sich vielleicht hingesetzt hatte. Aha, da, auf einer Kommode – eine Flasche 1971er Glenmorangie. Ein guter Single Malt: John war da. Sie warf einen Blick in den Schrank und sah einen marineblauen Kaschmirpullover auf einem Bügel und, ordentlich in einer Ecke, ein Paar Slipper von Camper, die sie als seine erkannte. Sie lächelte. Sie wusste, manche Frauen würden alles dafür geben, so einen ordentlichen Mann zu haben, aber es konnte bisweilen auch ein wenig gespenstisch sein. Es war Rains Natur, bei allem, was er tat, niemals Spuren zu hinterlassen.
    Sie betrat das übergroße Bad mit den mattweißen Fliesen und Spiegeln und dem angenehmen Licht und fand in einer Schublade ein paar Toilettenartikel. Und dann, neben einem der Waschbecken, einen Zettel. Na immerhin. Sie nahm ihn in die Hand.
    Auf der Anlage, las sie. Gegen 7.00 zurück.
    Sie sah auf die Uhr. Es war jetzt Viertel nach sechs. Sie war leicht verärgert, dass er nicht auf sie gewartet hatte, und fragte sich, was er wohl machte. Ihr war klar, dass schon der Zettel an sich ein Zugeständnis darstellte: Er gab nicht gern irgendetwas preis, das es irgendwem ermöglichen könnte, ihm aufzulauern, ob durch eine Tischreservierung in einem Restaurant oder durch einen schlichten Zettel, auf dem stand, wo er zu finden war. Der vage Hinweis war ein Kompromiss, doch weil sie ihn kannte, würde sie sich den Rest schon denken können, und das wusste er.
    Sie tippte auf das Fitnessstudio, das gleich um die Ecke lag. Wenn er dort nicht war, würde sie einfach auf ihn warten. Sie spähte auf die Terrasse, die zur Garden Suite gehörte – halb aus einem gewohnheitsmäßigen Sicherheitsbedürfnis heraus, halb aus Neugier –, und war begeistert: ein in die Steinplatten eingelassener dampfender Whirlpool mit Unterwasserbeleuchtung; zwei Liegen, umgeben von Farnen und Hibiskusblüten; ringsherum eine hohe Backsteinmauer. Sie stellte sich vor, dass sie später mit John in dem Whirlpool liegen würde, und ein kleiner Schauer durchlief sie. Sie ging rasch unter die Dusche und machte sich anschließend auf die Suche nach ihm.
    Das Fitnessstudio befand sich in einem großen ehemaligen Cottage, das entkernt, mit Teppichboden ausgelegt und mit modernsten Geräten ausgestattet worden war. Es hatte eine hohe Decke und große Fenster. Delilah lugte hinein und entdeckte Rain auf Anhieb in einer Ecke, wo er barfuß, in Shorts und T-Shirt Kniebeugen machte. Sie schaute fasziniert zu. Sie wusste, dass er regelmäßig trainierte, und er hatte ihr ein wenig von seinem Fitnessprogramm erzählt, aber sie hatte ihm nie dabei zugesehen. Er legte jetzt ein ziemliches Tempo vor, runter, hoch, runter, hoch, wobei er sich hin und wieder eine Haarsträhne aus den Augen schob. Sie wusste nicht, wie viele er schon absolviert hatte, ehe sie dazugekommen war, aber sie zählte zweihundertfünfzig, und dann noch fünfzig mehr, wo er am Ende jeder Kniebeuge in die Luft sprang.
    Er hielt kurz inne, und sie spürte, dass er jetzt den Blick über die Fenster schweifen lassen würde. Sie trat beiseite und wartete einen Moment ab, damit er sie nicht sah. Sie wollte ihn weiter beobachten.
    Nach

Weitere Kostenlose Bücher