Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
deinem Informanten?«, fragte ich.
»Er war bisher stets zuverlässig. Das bewahrt ihn vor dem Gefängnis.«
»Wie viele Hauptakteure?«
»Zwei Yakuzas, die die Ware abholen. Eine unbekannte Anzahl von Chinesen, die die Ware liefern. Aber ich schätze, es werden mindestens zwei Chinesen sein.«
Also zusammen mindestens vier, vielleicht mehr. Zu viele für mich allein. Die Sache würde nicht einfach werden.
Ich seufzte. »Was hat Yamaoto eigentlich gegen mich? Wieso ist er so besessen von mir? Ich meine, immerhin war ich derjenige, der Japan verlassen musste, nicht er. Schön, ich hab ein paar Scharmützel gewonnen, aber wieso kann er sich nicht einfach als Gewinner des Krieges sehen?«
»Ich glaube, das kann er nicht. Dass du ihn ein paarmal geschlagen hast, ist nicht das Einzige, was an ihm nagt. Er hat auch Angst vor dir. Er weiß, wozu du fähig bist.«
»Ich hab das verdammte Land verlassen. Leben und leben lassen.«
»Vergiss nicht, er hat deinen Freund Harry umgebracht, wenn auch nicht mit eigenen Händen. Er ist ein eitler Mann, und er selbst würde einen solchen Verlust unbedingt rächen wollen. Er vermutet, dass du das genauso handhaben würdest, und sieht sich daher in ständiger Gefahr.«
Die Worte versetzten mir einen Stich. Klar, er wollte mir nur erklären, warum Yamaoto mich im Visier hatte. Aber er erinnerte mich auch an eine Schuld, die ich bislang nicht beglichen hatte. Er wusste, dass die Scham, die ich wegen Harry empfand, mich aufstacheln würde. Tatsu war ein Meister der Mehrdeutigkeit.
Tief im Innern hatte ich immer gewusst, dass ich die Sache mit Yamaoto irgendwann zu Ende bringen musste. Und jetzt ging es nicht mehr allein um die Vergangenheit. Yamaoto stand zwischen mir und Midori und meinem Sohn. Er verhinderte, dass sich zwischen uns hier und jetzt in New York etwas entwickeln konnte, was auch immer das sein mochte. Heute. Es war töricht von mir gewesen, geradezu feige, dass ich so lange damit gewartet hatte, mich der Realität zu stellen. Und jetzt würde ich unvorbereitet handeln müssen, unter schlechten Ausgangsbedingungen.
Tja, daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Ich konnte mir nur einreden, dass es die letzte Schlacht sein würde, der letzte Krieg.
»Wo bist du? In welchem Krankenhaus?«, fragte ich.
»Jikei.«
»Heute kriege ich keinen Flug mehr. Ich fliege morgen und bin Samstagnachmittag japanischer Zeit da. Dann kannst du mich briefen.«
11
D ELILAH SASS AUF DER C OUCH in ihrer Pariser Wohnung. Sie versuchte, sich auf das Buch zu konzentrieren, das sie las, konnte aber ihre widerstreitenden Gedanken nicht abstellen. Sie war seit einer Woche aus Barcelona zurück – seit einer Woche! – und hatte noch immer nichts von Rain gehört. Zugegeben, zwischen ihnen war zeitlich immer alles recht vage gewesen, aber diesmal hatte er noch am Flughafen gesagt, er würde sie anrufen. Und gerade nach dem, was sie einander gesagt hatten, zumindest beinahe gesagt hatten, was konnte es da bedeuten, dass er sich nicht meldete? Nur eines, das war ihr klar: Er hatte mit seiner Ex wieder alles ins Lot gebracht und einfach nicht den Mut oder den Anstand, es Delilah zu sagen. Was sollte sie machen, ihn anrufen? Was konnte sie sagen? »Hi, John, hast du dich mit deiner Verflossenen und deiner neuen Familie wieder vereint? Ist in deinem Leben noch irgendwo Platz für mich?« Nicht doch. Sie hatte schon zu viel gesagt.
Nein, es war wirklich keine tolle Woche gewesen, denn die Untersuchung gegen sie schien einfach kein Ende zu nehmen. Ihr Kollege Boaz hatte sie angerufen, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen, und auf ihr Drängen hin hatte er zugegeben, dass es allem Anschein nach nicht gut für sie aussah. Offenbar war man sich uneins, ob sie förmlich gerügt werden sollte, was lediglich eine Demütigung wäre, oder ob sie auf Dauer aus dem operativen Dienst abgezogen werden sollte – eine Vorstellung, die sie fast unerträglich fand. Boaz war ein guter Freund, und um seine offenen Worte abzumildern hatte er ihr erzählt, wie viele Unterstützer sie hatte. Aber was würde das ändern?
Ihre Phantasie quälte sie. Was ihre Arbeit betraf, stellte sie sich Konferenzräume vor, wo kahlköpfige, dickbäuchige Männer sich übers Kinn strichen und mit der Zunge schnalzten. Was Rain betraf, malte sie sich eine freudige Wiedervereinigung mit Midori am Nachmittag aus; tränenreiche Erklärungen und Entschuldigungen am Abend; zärtlichen, innigen Sex die ganze Nacht hindurch und gleich
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