Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
schüttelte den Kopf und murmelte irgendwas auf Hebräisch. Ich war froh, dass ich nicht verstehen konnte, was. Ich konzentrierte mich wieder aufs Fahren, und einen Augenblick später sah ich, wie sie in ihrem Sitz herumfuhr, aber es war zu spät, um zu reagieren. Sie schlug mir mit geballter Faust krachend auf den Oberschenkel, und ich schrie auf: »Scheiße!«
»Mach dich nicht über mich lustig«, schrie sie mich an.
»Verdammt«, sagte ich. »Ich wollte doch nur, dass wir ein wenig lockerer werden.«
»Dann überleg dir was anderes.«
Mir kam noch die ein oder andere freche Bemerkung in den Sinn, aber ich verkniff sie mir lieber. Wir fuhren ein paar Minuten schweigend dahin. Ich rieb mir den Oberschenkel und dachte, dass ich die Stelle sobald wie möglich mit Eis kühlen musste. Delilah wusste, wie man zuschlug. Sie hatte mir ein ganz schönes Ding verpasst.
Als ich sah, wie sauer und wütend sie war, fragte ich mich einen Moment, wieso sie mir überhaupt helfen wollte. Ich war nicht misstrauisch, jedenfalls nicht auf beruflicher Ebene. Nach allem, was wir zusammen durchgestanden hatten, glaubte ich nicht, dass sie mir ernsthaft würde schaden wollen. Trotzdem verstand ich nicht recht, warum sie gekommen war.
Dann überlegte ich, dass auch ich ja gesagt hätte, wenn sie mich unter ähnlichen Umständen um Hilfe gebeten hätte. Weil es richtig war. Weil sie mir etwas bedeutete. Weil ich wollte, dass sich jemand auf mich verlassen konnte. Vielleicht war es bei ihr genauso.
Ich dachte noch ein wenig mehr nach. Sie hatte mich nicht gefragt, wie es für mich gewesen war, Midori zu sehen, und wie es zwischen uns stand. Ich glaubte zu verstehen, warum sie nicht gefragt hatte, und ich wusste absolut nicht, was ich sagen würde, wenn sie es täte. Na, wir würden noch genug Zeit haben, über alles zu reden, wenn Yamaoto erledigt war. Im Augenblick lenkte das nur ab.
»Ich nehme an, ich brauche eine Art Referenz, wenn ich heute Abend da hingehe«, sagte sie. »Hast du daran gedacht?«
In diesem Punkt war ich ihr voraus und hatte mir zusammen mit Tatsu bereits etwas überlegt. »Dafür ist gesorgt«, sagte ich. »In dem Club hat vor zwei Jahren eine Französin gearbeitet, Valérie Silbert. Sie lebt jetzt in Paris. Du hast sie in einem Club kennengelernt, sie hat dir vom Whispers erzählt. Du bist vorbeigekommen, um dir einen Eindruck zu verschaffen. Wenn er dir zusagt und sie dir ein Visum beschaffen können, würdest du es gern mal versuchen.«
»Mit der Geschichte soll ich da aufkreuzen? Dünner geht’s wohl nicht.«
»Die Geschichte reicht. Mein Kontakt beim japanischen Geheimdienst hat die Pariser Adresse ermittelt, aber keine Telefonnummer. Er meint, dafür müsste er tiefer graben. Wenn er sie nicht rausfinden konnte, dann schafft das keiner.«
»Was, wenn sie die Nummer schon haben? Vielleicht sind sie die ganze Zeit in Kontakt geblieben.«
»Mag sein. Aber es wird sich bestimmt niemand so kurzfristig mit der Frau in Verbindung setzen. Und wenn doch, wer kann schon sagen, dass sie sich nicht irgendwann mal mit dir in einem Club unterhalten hat? Wahrscheinlich würde sie sich nicht mal daran erinnern können. Ehrlich, selbst wenn sich jemand unbedingt mit ihr in Verbindung setzen wollte, wäre die Sache längst vorbei. In sechsunddreißig Stunden ist alles gelaufen.«
»Die wollen sicher einen Ausweis sehen. Einen Pass.«
Verflucht, daran hatte ich in der ganzen Hektik nicht gedacht.
»Du reist doch nicht unter deinem richtigen Namen, oder?«
»Nein.«
»Französischer Pass? Französische Quittungen oder so?«
»Ja.«
Ich wollte fragen: Wieso hast du denn dann überhaupt davon angefangen?
Stattdessen sagte ich: »Dann kann’s eigentlich losgehen.«
»Aber du hast nicht daran gedacht. Da frag ich mich, was du vielleicht sonst noch alles nicht bedacht hast.«
Ich warf ihr einen Blick zu und sagte: »Willst du mir nicht sagen, was dich eigentlich bedrückt?«
Wieder trat eine Pause ein. Sie sagte: »Die ganze Situation.«
Ja, mich auch, wollte ich sagen. Stattdessen fragte ich: »Weißt du schon, wo du wohnst? In welchem Hotel?«
»Noch nicht. Ich hab’s gerade noch rechtzeitig zum Flughafen geschafft.«
Selbst so wütend, wie sie war, wünschte ich mir, dass sie bei mir wohnte. Aber in operativer Hinsicht war es sicherer für sie, in ein anderes Hotel zu gehen. Andererseits sollte sie nicht glauben, dass ich sie nicht bei mir haben wollte …
Himmel. Lange würde ich das nicht mehr
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