Tolle Maenner
würden: Weißt du noch, wie wir damals einkaufen waren bis zur totalen Erschöpfung? Damals, als noch nicht alle ihre Einkäufe online erledigt haben?
Tracie stand auf. »Die nächsten Lektionen folgen, sobald ich von der Toilette zurück bin...« sagte sie und verschwand, und Jon seufzte erleichtert auf.
Molly kam mit den Getränken. Sie ließ sich auf dem freien Platz gegenüber von Jon nieder und musterte ihn noch einmal von oben bis unten. »Einfach Wahnsinn«, sagte sie. Dann nahm sie seine Hand. »Aber mal ernsthaft, Jon – meinst du nicht auch, dass das ein bisschen zu weit gehen könnte? Vielleicht macht es ja Spaß, mal Verkleiden zu spielen, wenn man zur Oscar-Verleihung oder so was eingeladen ist. Aber seine ganze Persönlichkeit zu verändern... das muss einem doch irgendwie Angst machen, oder nicht?«
»Ja. Vor allem, wenn ich in den Spiegel schaue oder auf die nächste Kreditkarten-Abrechnung«, stimmte Jon zu. »Aber allein heute Abend haben mich schon fünf oder sechs Frauen angeschaut, und das ist mir noch nie passiert.«
»Ich hab auch noch nie Leberzirrhose gehabt, aber das heißt noch lange nicht, dass es schön wäre, wenn ich sie hätte, stimmt’s, Süßer?«, erwiderte Molly. »Und was bringt es dir schon, wenn ein Mädel dir nachschaut? Schließlich bist das doch gar nicht du.« Sie dachte nach. »Irgendwo ist das sogar ein Verrat an dir selbst.« Sie wartete noch einen Augenblick, damit ihre Worte wirken konnten, aber Jon war viel zu müde. Er saß einfach nur da und rieb unter dem Tisch die Füße aneinander. Sie sah sich im Restaurant um, als würde das erklären, was sie ihm sagen wollte. »Ich will dir ja keinen Knüppel zwischen die Beine werfen, aber warst du schon mal im Freeway Park?«, fragte sie.
Der Freeway Park war auf der Überdachung eines Highway angelegt. Mit seinen Wasserfällen und Rasenflächen und dem abgestuften Gelände wirkte er fast schon idyllisch. »Klar«, sagte er. »Ich hab sogar das Entstehen der Anlage verfolgt.«
»Also, ich finde da nie Ruhe«, erklärte Molly. »Egal, wie heiter und natürlich das alles auf den ersten Blick wirkt – unten drunter herrscht in beiden Richtungen ein absolut irrsinniger Verkehr. Ich will damit nur sagen, dass es letzten Endes nichts bringt, sich unter einer schönen Grasnarbe zu verstecken.« Sie zupfte an seinem Arm. »Unter diesen Klamotten steckst immer noch du. Denk mal an das, was ihr Amerikaner immer ›das innere Kind‹ nennt. Weint es nicht ganz fürchterlich?«
»Ich hab kein inneres Kind, Molly. In meinem Innern ist nur ein dummer kleiner Langweiler, und der tanzt jetzt Mambo, weil er glaubt, dass er soeben die Zauberworte gelernt hat: ›Sesam öffne dich.‹«
Molly schüttelte den Kopf. »Ich sag dir jetzt schon, dass irgendwann der dumme kleine Langweiler in dir gegen den wilden Mann an der Oberfläche rebellieren wird«, warnte sie Jon. »Glaub mir, du wirst noch an mich denken.«
»Was für eine Welt! Da geht man mal zwei Minuten aufs Klo, und schon entpuppt sich die so genannte Kellnerin als Psychologin«, rief Tracie. Dann drängte sie sich auf ihren Platz und schob Molly mit der Hüfte zur Seite. »Verräterin! Dachte ich mir doch, dass du verdächtig nett bist heute Abend! Aber Jon braucht deine Küchenpsychologie nicht.«
»Stimmt. Die kriegt er schon von dir, und das nicht zu knapp.«
Tracie ignorierte Molly. »Weißt du, ich hab mir was überlegt. Du brauchst auch einen neuen Namen. Jon ist zu kurz und Jonathan klingt furchtbar langweilig.«
»Na wunderbar! Jetzt geht’s nicht mehr nur um seine Klamotten und seine Persönlichkeit; jetzt ändern wir auch gleich noch seinen Namen«, sagte Molly.
Tracie ignorierte sie weiterhin. »Hattest du jemals einen Spitznamen?«
»Mein Dad hat mich manchmal Jason genannt, aber das kam wahrscheinlich nur daher, dass er vergessen hat, wie ich heiße«, gestand Jon. »Und meine zweite Stiefmutter nannte mich ›die Pest‹.«
»Das vermittelt nicht unbedingt den Eindruck von Gefahr und sexuellem Draufgängertum, der mir vorschwebt«, meinte Tracie. »Wie wär’s mit Eric? Den Namen fand ich immer sexy.«
»Jetzt komm mal wieder auf den Teppich. Ich kann doch nicht einen völlig neuen Namen annehmen«, wandte Jon ein.
Molly begann zu lachen. »Wie wär’s mit Johannes Freudenreich? Da ist der Name gleich Programm.«
»Genau«, meinte Jon aufgekratzt. »Nach einigen Dates tut es dann auch der Johannes.«
»Solange du dabei nicht an die Bibel
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