Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
Knien ließ sie sich auf den Stuhl fallen. Sie begann mit dem Tag, an dem Gustav sie von Tante Eula abgeholt hatte. Zuerst fiel ihr das Sprechen schwer, doch beide Männer blieben still, als interessierte sie ihre armselige Vergangenheit tatsächlich. Zunehmend wurde sie sicherer, berichtete von ihrem Leben und ihrer Arbeit, der Begegnung mit der Gefangenen, ihrer Einkerkerung und der Rettung durch Gustav. Den Ausflug in die Kanalisation sparte sie aus. Als sie mit dem letzten Satz fertig war, hob sie den Kopf.
Vermutlich denken sie, ich hätte mir das alles ausgedacht.
Niemand würde einen Finger für sie krümmen, der Baron sie fallen lassen, sobald sie keinen Nutzen mehr brachte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit sagte der Polizeichef: »Ich glaube ihr. All das klingt zu abenteuerlich, als dass sie uns Märchen erzählt. Dazu die Verletzungen. So oder so. Meine Leute werden die Wahrheit ans Licht bringen.«
Der Baron stützte die Hände auf den Schreibtisch ab und schüttelte den Kopf.
»Das ist ein Traum, nicht wahr? Elises Entführung, diese Begegnung hier. Als gäbe es einen Zwilling.«
Ruckartig drehte er sich Kate zu, die Augen weit aufgerissen und mit plötzlich aschfahler Haut. Wie ein Fisch öffnete und schloss er den Mund und brachte keinen Ton hervor.
Lautes Rufen ertönte. Im nächsten Moment flog die Tür auf und ein Pulk Polizisten schob sich herein. Inmitten der Menschen erkannte Kate ein junges Mädchen.
Ihr Ebenbild.
Elise eilte in die Arme ihres Vaters, brach in Tränen aus und drückte das verschmutze Gesicht an seine Schulter. Die Haare verfilzt, barfuß, das Kleid in Fetzen und dreckbesudelt bot sie einen erbärmlichen Anblick. Sie tat Kate von Herzen leid. Die Zeit in Rufus Gewalt musste schrecklich gewesen sein.
Sie überlegte, die Ablenkung und das Durcheinander zu nutzen, um zu verschwinden. Mit ein wenig Glück erreichte sie eventuell doch noch den Flieger. Sie nahm sich den Ausweis vom Tisch und schob sich an dem Gedränge vorbei zur Tür. Fast schon am Ausgang spürte sie eine Hand auf dem Oberarm.
»Keine gute Idee.«
Der Commissioner stand hinter ihr und verzog den Mund zu einem gezwungenen Lächeln.
»Lassen Sie mich gehen, Sir. Bitte!«, flehte sie. Meine Herrin ist gefährlich.«
Er schüttelte den Kopf.
»Nun nicht länger. Die Lady wird einiges zu erklären haben.«
Kate fluchte innerlich. Er verstand ihre Not nicht. Sie überlegte, wie weit sie sich selbst belastete, wenn sie weitersprach.
»Madame handelt mit dem Tod«, brachte sie hervor.
Falls es ihr jetzt nicht gelang, ihn zu überzeugen, machte sie einen Fehler.
»Die Medikamente, die Dosierungen. Sie vergiftet Leute damit. Sie hat mich gezwungen, eine Eisenhutsalbe aus einem Giftbuch anzufertigen. Ihr Bekannter Bruce Attendorf hat sie benutzt.«
Der Commissioner stieß einen Pfiff aus.
»Du weißt, was du da behauptest?«
Kate nickte.
Der Mann drehte sich um und bellte: »Sofort Lady Ballingham finden und herbringen. Und alles verlässt den Raum, was nicht hierher gehört.«
Der Baron lenkte Kate ab. Er stand vor ihr und sagte: »Würdest du dich bitte neben Elise stellen.«
Er klang freundlich, fast bittend.
Ein wenig verlegen befolgte sie seinen Wunsch, hielt dabei die verletzte Hand schützend in der anderen. Sein Blick wanderte von ihr zu seiner Tochter und zurück.
Schließlich schlug er die Hände zusammen.
»Unfassbar. Wahrlich unfassbar. Zwillinge. Nichts anderes ist möglich«, rief er aus.
Der Commissioner mischte sich ein: »Aber wie und warum, Lord Standfort? Weshalb hat Lady Ballingham eine Tochter von Ihnen gefangen gehalten? Und um alles in der Welt, wie ist sie ihr in die Hände gefallen?«
Der Baron starrte noch immer Kate an, als fürchte er, sie könne vor seinen Augen verschwinden.
Kopfschüttelnd gab er zu: »Ich verstehe das nicht. All die Jahre hat Lady Ballingham unsere Elise versorgt und geheilt, wenn das arme Mädchen wieder einmal krank daniederlag. Selbst unser Hausarzt zeigte sich ganz begeistert von ihren übernatürlichen Fähigkeiten. Sogar bei ihrer Geburt hat sie meiner Frau beigestanden.«
Der Commissioner horchte auf.
»Sie war tatsächlich bei der Geburt dabei? Wie ungewöhnlich«, murmelte er. Plötzlich stieß er einen Pfiff aus. Aufgeregt fragte er: »Wie lautete der Name des Arztes, der bei der Entbindung zugegen war, und ließ Ihre Gemahlin sich mit diesem neumodischen Zeug betäuben, Ihre Gnaden?«
Der Gesichtsausdruck des Barons verriet, wie sehr ihn
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