Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
geht es Ihnen, Tom? Jemine! Gehört das alles Ihnen?« Sie schaute in die Runde und hinauf an die hohe, getäfelte Decke.
»Ich habe es gemietet. Für ein Butterbrot«, sagte Tom bescheiden. »Kommen Sie, trinken wir etwas. Erzählen Sie, was gibt´s Neues? Haben Sie in Rom mit der Polizei gesprochen?« Er nahm ihr den Mantel und die durchsichtige Regenhaut ab und legte es über einen Stuhl.
»Ja. Und mit Mr. Greenleaf. Er ist sehr in Aufregung - natürlich.« Sie setzte sich auf das Sofa.
Tom ließ sich ihr gegenüber in einem Sessel nieder. »Hat man etwas Neues gefunden? Einer der Polizeioffiziere hat mir regelmäßig geschrieben, aber er hat mir nichts mitgeteilt, was wirklich von Bedeutung gewesen wäre.«
»Nun, sie haben herausgefunden, daß Dickie mehr als tausend Dollar abgehoben hat, ehe er aus Palermo verschwand. Unmittelbar vorher. Er muß also mit dem Geld irgendwohin gegangen sein, nach Griechenland oder Afrika oder so. Er kann jedenfalls nicht hingegangen sein und sich umgebracht haben, nachdem er sich tausend Dollar eingesteckt hatte.«
»Nein«, gab Tom ihr recht. »Na, das klingt ja hoffnungsvoll. In den Zeitungen habe ich das nicht gelesen.«
»Nein, ich glaube, das haben sie nicht veröffentlicht.«
»Nein. Nur einen Haufen dummes Zeug, was Dickie in Mongibello zum Frühstück zu essen pflegte und so was«, sagte Tom und goß die Martinis ein.
»Ist es nicht schrecklich! Jetzt wird es schon ein bißchen besser, aber als Mr. Greenleaf ankam, war die Presse gerade auf dem Höhepunkt. Oh, danke!« Dankbar nahm sie den Martini entgegen.
»Wie geht es ihm?«
Marge schüttelte den Kopf. »Er tut mir so leid. Er sagt immer wieder, die amerikanische Polizei würde da doch anders arbeiten und all so was, und er kann kein Wort Italienisch, das macht alles noch einmal so schlimm.«
»Was macht er denn in Rom?«
»Er wartet. Was können wir alle denn tun? Ich habe meine Abreise wieder verschoben - Mr. Greeenleaf und ich sind in Mongibello gewesen, und ich habe jeden einzelnen dort ausgefragt, Mr. Greenleaf zuliebe natürlich, aber sie können uns nicht das geringste sagen. Dickie ist seit November nicht dort gewesen.«
»Nein.« Nachdenklich nippte Tom seinen Martini. Marge war optimistisch, das konnte man sehen. Sogar jetzt hatte sie diese kraftvolle Lebendigkeit, die Tom an die typische Pfadfinderin denken ließ, es war, als brauchte sie eine Menge Platz, als könnte sie jeden Augenblick mit einer schwungvollen Bewegung irgend etwas umreißen, auch jetzt hatte sie dieses Air unzerstörbarer Gesundheit und leichter Schlampigkeit. Sie versetzte ihn plötzlich in sehr gereizte Stimmung, aber er inszenierte eine ganz große Schau für sie, er stand auf, klopfte ihr auf die Schulter und tätschelte ihr liebevoll die Backen. »Vielleicht sitzt er in Tanger oder sonstwo, lebt wie Gott in Frankreich und wartet, bis sich dieser ganze Spuk ausgetobt hat.«
»Na, das wäre verdammt unüberlegt von ihm, wenn es so wäre!« sagte Marge lachend.
»Ich hatte ganz bestimmt nicht die Absicht, Sie alle zu alarmieren, als ich das über seine Bedrücktheit schrieb. Ich habe es irgendwie für meine Pflicht gehalten, es Ihnen und Mr. Greenleaf zu sagen.«
»Ich verstehe schon. Nein, nein, ich finde es ganz richtig, daß Sie es uns gesagt haben. Ich glaube bloß nicht, daß es stimmt.« Sie zeigte ihr breites Lächeln, ihre Augen strahlten in einer Zuversicht, die Tom plötzlich als vollkommen irre erschien.
Er begann ihr hintergründige und zielbewußte Fragen zu stellen nach den Ansichten der Polizei in Rom, nach den Hinweisen, die sie hatte (sie hatte keine nennenswerten) und danach, was Marge über den Fall Miles wußte. Auch im Fall Miles erfuhr er nichts Neues, aber Marge wußte, daß man Freddie und Dickie an jenem Abend gegen acht vor Dickies Haustür gesehen hatte. Sie hielt diese Geschichte für übertrieben.
»Kann sein, daß Freddie betrunken war, vielleicht hatte Dickie auch bloß einen Arm um ihn gelegt. Wie soll man das denn erkennen können im Dunkeln? Erzähle mir bloß keiner, Dickie hätte ihn umgebracht!«
»Gibt es denn überhaupt irgendwelche konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, daß Dickie ihn umgebracht hätte?«
»Natürlich nicht!«
»Ja, warum bequemen sich die Verantwortlichen dann nicht endlich dazu, sich auf die Suche nach demjenigen zu machen, der ihn nun wirklich umgebracht hat? Und herauszufinden, wo Dickie ist?«
»Ecco!« sagte Marge pathetisch. »Jedenfalls ist die
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