Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
einer amerikanischen Firma in Europa an den Mann zu bringen, und daß er sich außerstande gesehen hätte, das auf sich zu nehmen, und daß auch der Mann, dem er sich vorgestellt habe, ihn nicht für den geeigneten Typ gehalten hätte. Tom hatte ihr ferner mitgeteilt, der Mann wäre eine Minute nach ihrem Gespräch aufgetaucht, und aus diesem Grunde hätte er damals in Rom ihre Verabredung im »Angelo« nicht einhalten können.
»Zweitausend Dollar werden aber nicht lange reichen bei diesem Standard.« Sie versuchte, herauszubekommen, ob Dickie ihm etwas gegeben hatte, das war Tom klar. »Es wird bis zum Sommer reichen«, sagte Tom sachlich. »Jedenfalls spüre ich, daß ich das brauche. Fast den ganzen Winter habe ich damit zugebracht, wie ein Zigeuner durch Italien zu ziehen, praktisch ganz ohne Geld. Davon habe ich jetzt ziemlich die Nase voll.«
»Wo waren Sie während des Winters?«
»Na, jedenfalls nicht bei Tom. Ich meine, bei Dickie«, sagte er lachend, ganz verwirrt von diesem falschen Zungenschlag. »Ich weiß, das haben Sie gewiß angenommen. Ich habe ungefähr so viel von Dickie gesehen wie Sie.«
»Ach, lassen Sie das doch«, knurrte Marge. Es klang, als stiegen ihr schon die Martinis zu Kopf.
Tom mixte noch zwei oder drei Martinis. »Außer bei dem Cannes-Ausflug und an den beiden Februartagen in Rom habe ich Dickie überhaupt nicht gesehen.« Ganz stimmte das nicht, denn er hatte ihr geschrieben, daß Tom nach dem Cannes-Ausflug noch mehrere Tage bei Dickie in Rom gewohnt hätte, aber jetzt, wo er Marge Angesicht zu Angesicht gegenübersaß, stellte er fest, daß er sich schämte, weil sie wußte oder glaubte, er habe so lange Zeit mit Dickie zusammengewohnt, und er und Dickie jene Schuld auf sich geladen hätten, von der Marge in ihrem Brief an Dickie gesprochen hatte. Er biß sich auf die Zunge, während er neu einschenkte, und verachtete sich selbst wegen seiner Feigheit.
Während des Essens - Tom bedauerte sehr, daß der Hauptgang nur aus kaltem Roastbeef bestand, einem auf dem italienischen Markt phantastisch kostspieligen Artikel - verhörte Marge ihn scharfsinniger als jeder Polizeioffizier über Dickies Gemütsverfassung während seiner Zeit in Rom. Tom wurde festgenagelt auf zehn Tage, die er nach dem Cannes-Ausflug noch gemeinsam mit Dickie in Rom zugebracht hätte, und er wurde ausgefragt nach allem, angefangen bei dem Maler di Massimo, mit dem Dickie gearbeitet hatte, bis hin zu Dickies Appetit morgens beim Aufstehen.
»Was meinen Sie, wie stand er zu mir ? Seien Sie ganz offen. Ich kann es ertragen.«
»Ich glaube, er hat sich viel Gedanken gemacht über Sie«, sagte Tom ernst. »Ich denke . . . nun, es war eine von diesen Situationen, die sich häufig ergeben, ein Mann, der vor allen Dingen Angst vor der Ehe . . .«
»Aber ich habe niemals von ihm verlangt, mich zu heiraten!« protestierte Marge.
»Ich weiß, aber . . . «, Tom zwang sich fortzufahren, obwohl ihm dieses Thema wie Essig den Mund zusammenzog. »Wir wollen sagen, er konnte den Verpflichtungen nicht ins Auge sehen, die ihm dadurch entstanden, daß Sie ihn so gern hatten. Ich glaube, er wünschte sich eine etwas unverbindlichere Beziehung zu Ihnen.« Das sagte ihr alles und nichts.
Marge starrte ihn einen Augenblick mit dem bekannten verlorenen Blick an, dann riß sie sich tapfer zusammen und sagte: »Na, das alles ist ja inzwischen vergangen und vergessen. Ich möchte nur noch gern wissen, was Dickie mit sich angestellt haben mag.«
Auch ihre Wut darüber, daß er scheinbar den ganzen Winter über mit Dickie zusammengelebt hatte, war nun vergangen und vergessen, dachte Tom, denn zunächst hatte sie es nicht glauben wollen, und jetzt brauchte sie es nicht mehr zu glauben. Tom fragte vorsichtig: »Er hat Ihnen nicht zufällig aus Palermo geschrieben?«
Marge schüttelte den Kopf. »Nein. Warum?«
»Ich wollte nur wissen, in welcher Verfassung er sich Ihrer Meinung nach zu dieser Zeit befunden hat. Haben Sie ihm geschrieben?«
Sie zögerte. »Ja - stimmt, ich habe ihm geschrieben.«
»Was war das für ein Brief? Ich frage nur deshalb, weil ein unfreundlicher Brief vielleicht eine böse Wirkung auf ihn gehabt haben könnte, gerade zu der Zeit.«
»Oh . . . schwer zu sagen, was für ein Brief das war. Ein ziemlich netter Brief. Ich habe ihm geschrieben, daß ich in die Staaten zurückfahre.« Mit großen Augen sah sie ihn an.
Tom genoß es, ihr Mienenspiel zu beobachten, zu sehen, wie ein anderer Mensch sich wand
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