Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
ein Direktor, der dabei war, seinem Sekretär Briefe zu diktieren. Er hatte die Aufwendigkeit des Hauses nicht kommentiert, er hatte nicht einmal besonders darauf geachtet, wie Tom festgestellt hatte.
»Na, Tom«, begann er mit einem Seufzer, »das hat ein seltsames Ende genommen, nicht wahr?«
»Ende?«
»Nun ja, jetzt sind Sie in Europa, und Richard . . .«
»Niemand von uns hat bisher angenommen, er könnte in die Staaten zurückgekehrt sein«, sagte Tom freundlich.
»Nein, das nicht. Das kann nicht sein. Dafür sind die amerikanischen Einreisebehörden viel zu wachsam.« Mr. Greenleaf lief weiter auf und ab und sah ihn nicht an. »Wie ist Ihre wahre Meinung darüber, wo er sein könnte?«
»Tja, Mr. Greenleaf . . . er könnte sich in Italien verborgen halten . . . sehr leicht sogar, wenn er nicht in ein Hotel geht, wo er sich anmelden muß.«
»Gibt es denn Hotels in Italien, in denen man sich nicht anmelden muß?«
»Nein, nein, offiziell nicht. Aber jeder, der mit dem Italienischen so vertraut ist wie Dickie, kann das zuwege bringen. Wenn er zum Beispiel irgendeinen kleinen Gastwirt in Süditalien bestochen hat, daß er den Mund hält, dann kann er dort bleiben, selbst wenn der Mann wüßte, daß er Dickie Greenleaf heißt.«
»Und Sie meinen, das ist es, was er tut?« Mr. Greenleaf blickte ihn plötzlich voll an, und Tom sah wieder diesen erbarmungswürdigen Ausdruck in seinen Augen, den er schon am ersten Abend in New York, als er Mr. Greenleaf kennenlernte, bemerkt hatte.
»Nein, ich . . . es ist möglich. Das ist alles, was ich dazu sagen kann.« Er zögerte. »Es tut mir leid, Mr. Greenleaf, aber ich glaube, es besteht auch die Möglichkeit, daß Dickie tot ist.«
In Mr. Greenleafs Gesicht veränderte sich nichts. »Wegen dieser Niedergeschlagenheit in Rom, von der Sie sprachen? Was hat er im einzelnen gesagt?«
»Es war seine Stimmung ganz allgemein.« Tom runzelte die Stirn. »Die Miles-Geschichte hat ihn ganz offenbar erschüttert. Er ist so ein Mensch . . . Aufsehen jeder Art ist ihm zutiefst verhaßt. Gewalttätigkeit jeder Art.« Tom fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Sein qualvolles Bemühen, sich auszudrücken, war echt. »Er sagte, wenn noch so was passierte, dann würde er sich aufhängen - oder dann wisse er nicht, was er täte. Ich hatte auch zum erstenmal den Eindruck, daß ihn das Malen nicht interessierte. Vielleicht war das nur vorübergehend so, aber bis dahin hatte ich immer geglaubt, das Malen wäre für Dickie eine Zuflucht, was immer ihm auch widerfahren mochte.«
»Nimmt er denn wirklich seine Malerei so ernst?«
»Ja, das tut er«, sagte Tom fest.
Wieder blickte Mr. Greenleaf zur Zimmerdecke empor, die Hände auf dem Rücken. »Schade, daß wir diesen di Massimo nicht ausfindig machen können. Er weiß vielleicht mehr. Ich habe erfahren, daß Richard mit ihm zusammen nach Sizilien wollte.«
»Das wußte ich nicht«, sagte Tom. Das hatte Mr. Greenleaf von Marge, dachte er.
»Auch di Massimo ist verschwunden, falls er je existiert hat. Ich neige fast zu der Annahme, daß Richard ihn erfunden hat, um mich davon zu überzeugen, daß er malt. Die Polizei kann keinen Maler namens di Massimo entdecken auf ihren . . . ihren Identitätslisten oder was es ist.«
»Ich habe ihn nie kennengelernt«, sagte Tom. »Dickie hat ein paarmal von ihm gesprochen. Seine Identität habe ich nie angezweifelt - oder seine Existenz.« Er lachte ein bißchen.
»Was haben Sie vorhin gesagt, ›wenn noch so was passierte‹? Was ist denn noch passiert?«
»Ja - damals in Rom wußte ich es noch nicht, aber ich glaube jetzt zu wissen, was er gemeint hat. Sie haben ihn wegen des versenkten Bootes von San Remo vernommen. Hat man Ihnen davon erzählt?«
»Nein.«
»Man hat in San Remo ein Boot gefunden, versenkt. Wie es scheint, ging das Boot an dem Tage verloren oder ungefähr an dem Tage, an welchem Dickie und ich dort waren, und wir sind mit einem Boot der gleichen Art gefahren. Das sind diese kleinen Motorboote, die man dort mieten kann. Jedenfalls, das Boot ist versenkt worden, und es waren Flecke darin, die man für Blutflecke hielt. Zufällig wurde das Boot unmittelbar nach dem Miles-Mord gefunden, und gleichzeitig war ich nicht zu finden, denn ich bin im Lande herumgereist, also fragten sie Dickie, wo ich wäre. Dickie muß wohl eine Zeitlang den Eindruck gehabt haben, man verdächtigte ihn, mich ermordet zu haben!« Tom lachte.
»Du lieber Himmel!«
»Ich weiß das nur,
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