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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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die Menschen waren das Blut, das überall zirkulierte. Er ging einen anderen Weg zurück und überquerte das große Quadrat des Markusplatzes zum zweitenmal. Tauben überall, in der Luft, im Lichtschein der Geschäfte - sogar in der Nacht liefen die Tauben zwischen den Füßen der Menschen herum, als besichtigten auch sie die Stadt, ihre eigene Heimatstadt! Die Tische und Stühle der Cafés breiteten sich von den Arkaden aus über den ganzen Platz, so daß Menschen und Tauben sich über schmale Pfade zwischen ihnen hindurchschlängeln mußten, um vorbeizukommen. Aus jeder Ecke des Platzes plärrte ein Plattenspieler disharmonisch gegen die anderen an. Tom versuchte, sich den Platz im Sommer vorzustellen, im Sonnenschein, voller Menschen, die immer wieder eine Handvoll Körner in die Luft warfen für die Tauben, die darauf herniederflatterten. Er betrat eine neue, erleuchtete Straßenschlucht. Hier gab es lauter Restaurants, und er entschied sich für ein sehr solide und anständig aussehendes Lokal mit weißen Tischdecken und brauner Holztäfelung, ein Restaurant von der Art, die, das wußte er inzwischen aus Erfahrung, mehr Wert auf gutes Essen als auf die vorüberlaufenden Touristen legte. Er suchte sich einen Tisch und schlug eine der Zeitungen auf.
    Und da war es, eine kleine Meldung auf der zweiten Seite:
    POLIZEILICHE SUCHE NACH VERMISSTEM AMERIKANER
    Dickie Greenleaf, Freund des ermordeten Freddie Miles, nach Urlaub in Sizilien verschwunden.
    Tom beugte sich tief über die Zeitung, konzentrierte sich ganz darauf, und doch registrierte er, daß ein gewisser Verdruß in ihm aufstieg beim Lesen, denn es schien doch so seltsam dumm, dumm von der Polizei, daß sie so beschränkt und so untüchtig war, dumm von der Zeitung, daß sie Papier auf so was verschwendete. In der Meldung hieß es, daß H. Richard »Dickie« Greenleaf, ein guter Freund des verstorbenen Frederick Miles, des vor drei Wochen in Rom ermordeten Amerikaners, verschwunden sei, nachdem er vermutlich mit dem Schiff von Palermo nach Neapel gefahren wäre. Sowohl die sizilianische als auch die die römische Polizei seien mobilisiert worden und hielten eine vigilantissimo Suche nach ihm ab. Der letzte Absatz besagte, daß Greenleaf unmittelbar vorher von der Polizei in Rom gebeten worden sei, einige Fragen zu beantworten, die das Verschwinden von Thomas Ripley, ebenfalls ein enger Freund Greenleafs, betrafen. Ripley sei seit etwa drei Monaten verschwunden, schrieb das Blatt.
    Tom ließ die Zeitung sinken, er heuchelte ganz ungewollt so hervorragend das Staunen, das jeder empfinden würde, wenn er in der Zeitung läse, er sei »vermißt«, daß er den Ober gar nicht bemerkte, der ihm die Speisekarte reichen wollte, bis die Karte seine Hand berührte. Der Augenblick war da, dachte er, wo er geradewegs zur Polizei gehen und sich melden müßte. Wenn dort nichts gegen ihn vorlag - und was sollte schon vorliegen gegen Tom Ripley? -, dann würden sie wohl kaum nachprüfen, wann er den Wagen gekauft hatte. Die Zeitungsmeldung war für ihn eine richtige Erleichterung, denn sie bedeutete, daß die Polizei seinen Namen tatsächlich nicht entdeckt hatte in der Zulassungsstelle für Autos in Trento.
    Langsam und mit Genuß verzehrte er sein Mahl, bestellte hinterher einen Espresso und rauchte ein paar Zigaretten, während er seinen Reiseführer für Norditalien durchblätterte. Mehrere ganz verschiedene Überlegungen hatte er inzwischen angestellt. Zum Beispiel: wieso mußte er eine so kleine Zeitungsmeldung überhaupt gesehen haben? Und sie stand nur in einer Zeitung. Nein, er brauchte nicht zu Polizei zu gehen, ehe er nicht zwei oder drei derartige Meldungen gesehen hatte, oder eine große, die er beim besten Willen nicht hätte übersehen können. Wahrscheinlich würden sie bald mit einer Schlagzeile herauskommen: wenn ein paar Tage vergingen und Dickie Greenleaf noch immer nicht auftauchte, dann würden sie den Verdacht schöpfen, er hielte sich verborgen, weil er Freddie Miles ermordet hätte und möglicherweise auch noch Thomas Ripley dazu. Marge mochte der Polizei erzählt haben, daß sie vor zwei Wochen in Rom mit Tom Ripley gesprochen hätte, aber gesehen hatte die Polizei ihn nicht. Er blätterte in dem Reiseführer, ließ seine Augen über die farblose Prosa und die Statistiken gleiten und überlegte weiter.
    Er dachte an Marge, die jetzt wahrscheinlich in Mongibello ihren Haushalt auflöste und alles einpackte für Amerika. Sie wußte sicher aus der

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