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Tontauben

Tontauben

Titel: Tontauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Mingels
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Menschen zusammenzubringen, die durch sie glücklicher würden, zufriedener. Dass sie manchmal Lust hätte, selbst ein neues Haus zu kaufen – ein kleineres –, eins, in dem sie neu anfangen könnten, sie und David und Karen.
    Ich bin ja kaum noch hier, sagt Karen.
    Trotzdem gehörst du doch dazu!
    Ja, sagt Karen geduldig, klar.
    Ist das normal, dass man so bedürftig wird?, denkt Anne.
    Karen ruft den Hund, der gemächlich wedelnd auf sie zugelaufen kommt und sich gleichmütig an die Leine nehmen lässt.
    Hier fahren zu viele Autos, erklärt sie. Sie seufzt kurz.
    Anne sieht sie von der Seite an, ihr Profil mit der eher kurzen Nase, die Haare, die ihre Wange halb verdecken. Sie sieht hübsch aus, niemandem ähnlich. Am ehesten noch Davids Großmutter, auf den zwei, drei Fotos, auf denen sie jung ist, noch keine Großmutter, nicht einmal Mutter.
    Vor einem großen reetgedeckten Haus bleibt Karen stehen.
    Ich glaube, ich klingle mal rasch, sagt sie und Anne erkennt das Haus von Silkes Eltern wieder.
    Ja, sagt Anne, mach das.
    Wenn sie nicht da ist, hole ich dich ein, sagt Karen. Ansonsten sehen wir uns mittags.
    Als Anne nach Haus kommt, sitzt David im Sessel, die Füße auf einem Hocker, in der Hand ein Buch, das schon seit Wochen auf dem Nachttisch lag.
    Tristan hat angerufen, sagt er. Klingt nett. Irgendwie nasal. Aber nett.
    Nasal? Wäre mir nicht aufgefallen.
    Achte mal darauf, sagt David und schlägt das Buch zu, nachdem er die Ecke der Seite umgeknickt hat. Ich habe gesagt, du seist unterwegs. Aber du würdest zurückrufen.
    Er macht eine Pause, nimmt die Brille ab und fährt sich mit dem gekrümmten Zeigefinger über die Augen.
    Er hat gesagt, das wäre toll.
    David betont das letzte Wort so sehr, dass es albern klingt.
    Es schien ihm wirklich wichtig zu sein, sagt David.
    Unsinn, sagt Anne.
    Wenn ihr jemand zusehen würde, könnte er sehen: wie sie die Schuhe auszieht, den Mantel aufhängt, sich selbst im Spiegel betrachtet, ganz kurz nur und mit skeptisch gehobenen Brauen. Nichts zu sehen von der Aufregung.
    Ich ruf zurück, sagt sie. Später irgendwann.
    Sie sitzen in einem Restaurant am Nordhafen. Sie könnte ihm sagen, dass sie das Restaurant noch nie gesehen hat, zumindest ist es ihr nie aufgefallen. Das ist komisch, könnte sie sagen, nach zwanzig Jahren auf der Insel müsste man doch alles kennen. Jede Bar, jedes Restaurant, jede kleine Kneipe. Aber sie sagt nichts. Sieht in ihre Karte. Vorspeisen, Fleisch, Fisch, Desserts. Der Kellner schlendert so gemächlich zwischen den Tischen umher, als sei er unter Freunden.
    Und? Tristan sieht sie fragend an. Was nimmst du?
    Sie zieht ein ratloses Gesicht. Keine Ahnung. Der Kellner schaut kurz herüber und sie schüttelt ganz leicht den Kopf.
    Such du mir etwas aus, sagt sie.
    Gut, sagt Tristan. Er ist nicht verwundert über ihren Vorschlag. Sagt nur noch: Und du mir.
    Dann winkt er den Kellner heran.
    Beim Essen muss sie sich Mühe geben. Langusten. Das ist eine gemeine Wahl. Die sperrigen Tiere, das mühsame Auseinanderbrechen der Schalen, die Hände immer wieder an der Serviette abwischen, der Versuch, manierlich zu essen, aber wie, wenn nicht mit den Händen? Während er das Fleisch mit Messer und Gabel zerteilt und manchmal einen Schluck aus dem Weinglas nimmt. Sie entfernt konzentriert eine weitere Schale, zieht den weißen Leib vorsichtig heraus, beißt ein Stück ab. Das Restaurant ist inzwischen fast leer. Nur an einem Vierertisch sitzen noch zwei Männer und eine Frau. Manchmal beugt sich die Frau zu dem einen Mann, manchmal zum anderen. Sagt etwas, leise, aber nicht flüsternd, sodass der andere es auch hören kann. Verteilt ihre Aufmerksamkeit großzügig und gerecht. Ihr Lachen füllt den Raum, und die Männer stimmen ein. Anne stellt sich vor, dass die Männer Freunde sind. Dass sie beide die Frau lieben. Die irgendwann, schon bald, wieder aus ihrem Leben verschwinden wird, so rasch wie sie darin aufgetaucht ist, und die beiden zurücklässt, die dann immer noch Freunde sind. Männer können so was, denkt Anne. Sie weiß nicht, ob sie das mag.
    Wie sind die Langusten?, fragt Tristan, und Anne sagt, lecker, und hält ihm ein Stück entgegen, das er ihr aus der Hand nimmt und sich in den Mund steckt.
    Willst du das Fleisch probieren?
    Sie nickt, öffnet den Mund, lässt sich füttern wie ein Vogeljunges. Sie spürt, wie ihr die Röte über den Hals kriecht, und nimmt rasch einen Schluck Wein. Lächelt kurz, sieht dann an Tristan vorbei, als müsse

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