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Top Secret. Der Clan: Die neue Generation 1 (German Edition)

Top Secret. Der Clan: Die neue Generation 1 (German Edition)

Titel: Top Secret. Der Clan: Die neue Generation 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Muchamore
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vernommen wurde oder wie er vor einer Mauer kniete und die Exekution erwartete. So sehr Ning auch ihren Unterricht und die prüfungsgeilen Mitschüler gehasst hatte, sehnte sie sich jetzt doch nach der Sicherheit ihres alten Lebens zurück. Sie hatte das Gefühl, in einen abgrundtiefen Brunnen zu fallen, in dem sie nach den Wänden griff und doch keinen Halt fand.
    Das Pink Bird war erst kürzlich an einem noch nicht eröffneten Teil der Autobahn errichtet worden. Die Zimmer waren geräumig, aber karg, an den Wänden hingen gerahmte Bilder von Cadillacs. Es war ein Billighotel für Geschäftsreisende, Verwandte auf Besuch und Liebesabenteurer, die stundenweise zahlten. Jedes Zimmer ging auf einen großen Parkplatz hinaus, auf dessen gegenüberliegender Seite eine Reihe von Läden mit Flachdächern lagen.
    Ning war Ingrids Geschnarche und ihr Eau de Alcohol leid. Sie zog sich ihre Turnschuhe an, nahm den Zimmerschlüssel und schlich sich hinaus. Dann lief sie die Treppe am Ende des Balkons hinunter und über den Parkplatz. Es standen weniger als dreißig Wagen auf dem für hundert Autos ausgelegten Gelände. So würde es wahrscheinlich auch bleiben, bis die Autobahn eröffnet wurde.
    Der stille graue Platz und der orangefarbene Himmel ließen Ning ein wenig zur Ruhe kommen. Um diese Jahreszeit konnte es sehr heiß werden, aber die Sonne war noch nicht aufgegangen und es herrschte ein frischer Wind. Ohne sich dessen bewusst zu sein, stand sie schließlich vor den Läden. Das einzige Geschäft, das aufhatte, war ein kleiner Supermarkt, der rund um die Uhr geöffnet hatte.
    Dieser Teil der Stadt war vor zwei Jahren vermutlich noch ein Feld gewesen. Der kleine Laden hatte noch keine Zeit gehabt, zu verfallen. Das Glas in den Automatiktüren glänzte, es gab keine klebrigen Ablagerungen am Boden der Kühltruhen und keine toten Fliegen in den Lampen.
    Ning konnte sich nicht daran erinnern, dass sie Geld mitgenommen hatte, aber in ihrer Hosentasche fand sie einige Münzen und ein paar Scheine. Aus reiner Nostalgie ging sie zu den Snacks im hinteren Teil des Ladens. Sie erinnerte sich daran, wie sie im Alter von vier oder fünf Jahren bei einem der seltenen Waisenhaus-Ausflüge einmal an einer gerade eröffneten Tankstelle Colaautomaten, Mikrowellenherde und Regale voller leuchtend gelber Schachteln gesehen hatte.
    Mittlerweile war sie alt genug, um zu wissen, dass gute Küche nicht aus der Mikrowelle im hinteren Teil von Supermärkten stammte. Doch die Fünfjährige in ihr liebte die gelben Schachteln immer noch. Fisch in Sauce, süße Hefeklöße, amerikanische Burger und knusprige Ente mit Reis.
    Ning steckte eine Burgerschachtel in einen glänzenden Mikrowellenofen. Während sie sich drehte, ließ sie Eiswürfel in einen Becher fallen und füllte ihn mit Sprite auf.
    Der Burger kam kochend heiß aus der Mikrowelle und das Fett troff durch die Pappschachtel. Sie machte sie auf, roch daran und überwand ihre Übelkeit, indem sie ein heißes Stück abbiss. Das Fleisch war trocken und das Brötchen pappig, aber wenn man es mit dem Ketchup zusammen aß, war es ganz in Ordnung.
    Am Tresen bezahlten gerade ein paar Bauarbeiter in Neonwesten ihre Zigaretten, als Ning mit ihrer Sprite und dem Burger kam. Sie biss noch einmal ab und musste an Ingrid denken, als sie die Schnapsflaschen hinter der Theke sah.
    »Bis morgen!«, sagte die Verkäuferin mit starkem koreanischem Akzent zu den Bauarbeitern und wandte sich dann an Ning. »Nur der Burger und ein mittelgroßes Getränk?«
    Ning war von den vielen Flaschen abgelenkt gewesen.
    »Sorry«, sagte sie. »Ich schlafe noch halb.«
    »Erst zahlen, dann essen«, mahnte die Frau, doch ihr Tonfall war eher mütterlich als streng.
    Ning nahm ein paar Zwanzig-Yuan-Scheine aus der Hosentasche, erstarrte aber fast vor Schreck, als ihr Blick auf den Tresen fiel. Die Bauarbeiter hatten ihr den Blick auf die Morgenzeitungen versperrt, doch jetzt sah sie einen Stapel des Dandong-Anzeigers mit einem großen Foto ihres Stiefvaters auf der Titelseite und der Überschrift: Parteiführer gratulieren der Polizei zur Zerschlagung eines Menschenhändlerringes.
    Ning warf den Kopf zurück, als hätte man ihr ein Messer zwischen die Schulterblätter gestoßen. Der Dandong-Anzeiger war eine offizielle Parteizeitung der Kommunisten mit schrecklichen Artikeln über Parteitreffen und offizielle Abkommen. Im Allgemeinen witzelte man darüber, dass die Leute sie nur kauften, weil sie durch die staatliche

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