Topchter der Köingin Tess 1
alles vorbei ist. Sollte Garrett mir in die Quere kommen, werde ich ihn töten.«
Heather schnappte nach Luft und schlug sich die zitternde Hand vor den Mund.
»Das ist kein Plan.« Duncan hatte die Schultern hochgezogen, und seine Miene war säuerlich. »Das ist eine vage Idee. Wenn du mit nicht mehr als dieser Idee da hineingehst, wirst du nie wieder herauskommen. Und was ist mit uns? Du kannst das alles nicht allein schaffen.«
Ich wand mich innerlich – sicher hatte er gemerkt, dass ich ihn aus dem Weg haben wollte. »Ich brauche ein Ablenkungsmanöver, damit ich unbemerkt über die Mauer komme«, sagte ich.
»Ein Ablenkungsmanöver!« Duncans Heftigkeit erschreckte mich. »Ich spiele für niemanden die Ablenkung, Prinzessin. Weder für dich noch für sonst jemanden! Nie wieder.«
Mir wurde allmählich heiß, denn mein Zorn wuchs. »Was ist denn so schlimm daran, ein Ablenkungsmanöver zu sein? Ich war zwanzig Jahre lang eines!«
»Ach ja?« Duncan baute sich breitbeinig auf, beide Füße fest auf den Bodendielen verankert. »Du brauchst uns«, sagte er und deutete mit steifem Zeigefinger auf mich. »Und zwar nicht nur so lange, bis du über die Mauer gekommen bist!«
Er schrie mich an, und ich wandte mich verwirrt wieder dem Spiegel zu. Ich kniff mir in die Wangen, um meine Blässe zu verbergen. Meine Knie zitterten, und ich hatte ein flaues Kribbeln im Magen. »Ich brauche euch beide auf der Straße«, erklärte ich meinem Spiegelbild. »Ihr müsst die Leute gegen den Misdever Hund aufhetzen. Am Tor einen Aufstand anzetteln. Irgendetwas, das Garretts Gedanken von mir ablenkt.«
Heathers Augen waren kummervoll zusammengekniffen, als sie mit einem breitkrempigen Hut vortrat. »Was ist mit mir?«, fragte sie. Ihr Kinn bebte, und die Angst stand so deutlich in ihren blauen Augen, dass ich sie am liebsten in den Arm genommen und ihr gesagt hätte, alles würde wieder gut. »Ich kenne den Palast genauso gut wie du. Was soll ich tun?«
Ich konnte sie nicht hinter die Mauer schicken. Keinen von ihnen. »Könntest du mit den Leuten in der Stadt reden?«, fragte ich zögerlich und ergriff ihre Hände. Sie zitterten und waren kalt. »Ich könnte es nicht ertragen, dass sie womöglich glauben werden, ich sei davongelaufen.«
Sie nickte. »Ich werde allen die Wahrheit sagen«, versprach sie und war offensichtlich froh, dass sie nun doch nicht den Palast würde erstürmen müssen.
»Verdammt, Tess«, sagte Duncan und verschränkte die Arme. »Du wirst unsere Hilfe brauchen. Thadd und ich können den Wägen mitsamt der Statue in den Palast fahren. Er hat einen schriftlichen Auftrag. Was sollen sie also tun? Ihn als Lügner bezeichnen? Du kannst dich in der Kiste verstecken, statt irgendwo über die Mauer zu klettern, und sobald wir an den Wachen vorbei sind, holen wir dich raus.«
Galle stieg mir die Kehle hoch, und ich schluckte sie herunter. Diese Kiste sah aus wie ein Sarg. »Nein.«
»Du hast Angst vor einer Kiste?«, höhnte Duncan. »Eine große, starke Frau wie du fürchtet sich davor, in einer Kiste zu liegen?«
Ich versteifte mich vor Empörung. Draußen in der Wildnis war es leichter gewesen, mich daran zu erinnern, dass ich nicht mehr die Prinzessin war. Aber hier, in der Hauptstadt, in sauberer Kleidung und von Heather umsorgt wie eh und je, fiel es mir schwer. Ich strich mit zitternden Fingern über die stumpfen Enden der Pfeile in meinem Haarknoten. »Jeck weiß von der Statue«, sagte ich und wehrte Heathers hastige Versuche ab, mir den Hut aufzusetzen. »Es wäre sehr dumm von mir, in die Kiste zu steigen.«
Duncan schnaubte, was ihm einen finsteren Blick von Heather eintrug. »Du hast Angst«, stichelte er. »Aber nur zu, klettere ruhig über deine Mauer. Thadd und ich fahren mit dem Wagen rein und warten auf dich.«
»Nein.« Ich zog das Tuch fester um mich. Heather nutzte die Gelegenheit und stülpte mir diesen hässlichen gelben Hut auf das noch feuchte Haar. Immerhin verbarg er mein Gesicht, also nahm ich ihn wieder ab, steckte ein paar Pfeile aus dem Knoten in meinen Ärmel und das Blasrohr zu dem Messer in den hinteren Rockbund. Die Vorstellung, in dieser Kiste zu liegen, ließ mich schaudern. »Es überrascht mich, dass sie uns mit diesem Karren nicht schon am Stadttor aufgehalten haben«, bemerkte ich. »Wenn ihr tatsächlich versucht, mit Thadds Statue in den Palast zu gelangen, werdet ihr in Ketten enden.«
Duncan machte ein langes Gesicht, und zum ersten Mal schien er an seiner
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