Topchter der Köingin Tess 1
waren. Es war niederschmetternd.
Noch schlimmer war Duncans steifes Schweigen. Inzwischen wünschte ich, ich hätte den Mund gehalten. Eine Entschuldigung würde er nur zurückweisen; er wich entschlossen meinem Blick aus. Aber er hatte mir Angst gemacht, also war ich zum Angriff übergegangen. Die Erinnerung an unseren Kuss drängte sich mir auf, und mir war noch elender zumute. Wenigstens darum würde ich mir wohl keine Gedanken mehr machen müssen.
»Fahr zurück«, sagte Heather atemlos, als wir den Hauptzugang zum Platz erreichten, der von Menschenmassen versperrt war. »In diese Gasse da und ein Stück weiter vorn nach links. Dann kommen wir durch den schmaleren Zugang zwischen der Garnhandlung und dem Zuckerbäcker heraus.«
Die Leute drängten sich sofort in die Lücke, die entstand, als Thadd das Pony mit Schnalzen und Zurufen geschickt rückwärtslenkte. Er fuhr flott weiter, und wir schoben uns an anderen Kutschen und Reitern vorbei, die dasselbe Ziel hatten. »Sind wir vielleicht zu nah?«, fragte ich, als wir aus der Gasse auf den Platz rollten. Wir waren beinahe direkt neben der hastig errichteten, hohen Tribüne herausgekommen. Misdever Wachen in den Costenopolier Farben bildeten einen drei Reihen tiefen Ring etwa dreißig Schritt vor dem Gerüst der Bühne. Die jungen Soldaten sahen angespannt aus, und die Menge hielt freiwillig Abstand.
Die Distanz war zu groß für einen gezielten Pfeilschuss, aber ich hatte gewusst, dass Jeck es mir nicht so leicht machen würde. Eine Bewegung auf der hohen Bühne ließ den Lärm der Menschenmenge anschwellen, und wie alle anderen starrte ich hinauf.
Garrett, Contessa, Jeck und Kavenlow betraten nacheinander den kleinen, nach vorn offenen Raum auf dem Gerüst. In Pelze und Seide gehüllt, bauten sie sich hinter einer lebenden Wand aus sechs Gardisten auf. Am Fuß der steilen Treppe wartete eine geschlossene Kutsche, die sie rasch wieder hinter die Palastmauern bringen würde. Thadd sah verzweifelt aus, sein hilfloser Schmerz war beinahe greifbar.
Aus der Menge kamen Rufe wie »Wo sind der König und die Königin?« und »Wo ist die Prinzessin?«. Ich machte mich so klein wie möglich und hoffte, dass mich niemand erkennen würde. Ansonsten könnte es ein Blutbad geben.
Garrett hatte offenbar vor, Jecks Endspiel einzuleiten, indem er verkündete, er habe die wahre Prinzessin gefunden und werde sie heiraten. Kavenlows Wort würde ausreichen, um die Bevölkerung von der Wahrheit dieser Behauptung zu überzeugen. Die eigentliche Frage war, wie der Misdever Hund den Tod unserer Eltern erklären wollte.
»Zieh den Kopf ein, Tess«, raunte Duncan, und als ich kurz aufblickte, sah ich einen Misdever Gardisten in der Menge herumlaufen. Mein Herz hämmerte, und meine Finger lagen an meiner Peitsche, als er an uns vorbeiging. Er murmelte »Stolze Bettlerin mit einem blauen Auge und guten Stiefeln« vor sich hin, immer wieder, wie eine Litanei. Ich war unendlich froh darüber, dass ich als ordentliche Bürgerin erschienen war, und auch mein rotes Haar machte mir nichts mehr aus.
Ich hob den Blick zu Kavenlow und versuchte, ihn durch meine Gedanken dazu zu bringen, mich anzusehen. Das tat er nicht. Ich runzelte die Stirn, als er auf seltsame, schlurfende Art einen Schritt machte. Seine Füße waren also aneinandergekettet. Er sah müde aus und hatte ein schwarzes Gewand an, das ihn sehr viel stärker behinderte als die enge Hose und das Wams, die er sonst trug. Ich fragte mich, ob er heute schon etwas gegessen hatte, und bekam ein schlechtes Gewissen ob meines vollen Bauchs. Sein Haar wirkte frisch gekämmt, sein Gesicht war sauber gewaschen. Es war offensichtlich, dass jemand versucht hatte, die Misshandlungen zu verbergen, die er zweifellos erlitten hatte. Ich war hin und her gerissen zwischen meinem Hass auf Garrett und meinem Mitgefühl für Kavenlow. Es schmerzte mich unerwartet heftig, ihn so zu sehen und überhaupt nichts für ihn tun zu können, und es drehte mir das Herz im Leibe um.
»Es tut mir so leid, Tess«, sagte Heather, die meinem Blick gefolgt war.
Garrett beugte sich zur Prinzessin hinüber und sagte etwas. Sie fuhr mit entsetzter Miene zurück. Kavenlows Lippen bewegten sich, und ein Gardist schlug ihm von hinten gegen die Beine. Ich schnappte nach Luft. Duncan packte meine Hände, die ich unwillkürlich ausgestreckt hatte.
Garrett gab dem Gardisten einen scharfen Befehl, und der ließ von Kavenlow ab. Duncans Griff verstärkte sich warnend, dann
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