Topchter der Köingin Tess 1
als die Pfeilspitze seine Haut leicht eindrückte, sie aber nicht verletzte. »Sie sind fort«, sagte ich, hörte einen flehentlichen, kummervollen Unterton in meiner Stimme und wünschte, ich könnte ihn abstellen.
Jecks Augen über dem schwarzen Bart wurden kalt. »Ja. Sie sind tot, obwohl sie noch viele Jahre hätten leben können. Aber ein ganzes Königreich leiden lassen, um dein Bedürfnis nach Rache zu stillen? Du hast gewonnen, Tess. Lass die nächste Runde nicht auf dem Schlachtfeld stattfinden.«
Zorn packte mich, und Garrett japste, als ich meinen Griff verstärkte. »Du erzählst mir, dass Rache falsch ist«, sagte ich. »Dass ich darüberstehen und ihn leben lassen sollte. Das kann ich aber nicht! Ich kann ihn nicht am Leben lassen, Jeck. Ich kann nicht!«
Jeck hob beschwichtigend die Hände. »Ganz ruhig, Tess. Du hörst mir nicht richtig zu. Ich wäre der Letzte, der dir sagen würde, dein Bedürfnis nach Rache sei falsch. Rachedurst ist ein schönes, warmes Gefühl, und eine Zeitlang war es das Einzige, was mich über Wasser gehalten hat. Aber es gibt eine kurze Rache, die schnell vorbei und letztlich unbefriedigend ist. Und es gibt die lange Rache, zäh und klebrig-süß wie Honig.« Er zog die Augenbrauen hoch, und Garrett schauderte. »Es gibt andere Arten der Rache als den Tod, und manche dienen sogar noch einem weiteren Zweck.«
Ich zögerte, denn es überraschte mich, dass er mich offenbar verstand. Meine Gedanken kehrten zu unserer gemeinsamen Nacht an seinem Lagerfeuer zurück und zu dem, was er mir über seine Vergangenheit erzählt hatte. »Was schlägst du also vor?«, fragte ich, und meine Stimme klang, als gehörte sie nicht zu mir.
»Töte ihn nicht. Er ist wertlos.«
»Ich bin ein Prinz!«, schrie Garrett. »Wenn du mir etwas tust, wird mein Vater über dich herfallen. Er wird eure Häuser niederbrennen. Eure Schiffe versenken. Er wird –«
»Haltet den Mund«, sagte ich. Ich roch seinen Schweiß und wusste, dass er Angst hatte.
Jeck verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Ein schwaches Lächeln breitete sich über sein Gesicht. »Es gibt Schicksale, die schlimmer sind als der Tod«, sagte er. »Und Garrett hat einen gewaltigen, peinlichen Fehler gemacht. Wenn du ihn leben lässt, wird man ihn mit Schimpf und Schande nach Hause schicken wie einen kleinen Jungen, der Äpfel aus Nachbars Obstgarten stehlen wollte.« Ich spürte, wie Garrett erstarrte. »Besiegt von der falschen Prinzessin von Costenopolis? Einem Kind aus der Gosse? Ich kenne König Edmunds Hof sehr gut, Tess, und sie werden ihm dort das Leben zur Hölle machen.«
Ich zögerte, weil ich die Wahrheit seiner Worte erkannte. Doch meine Seele flehte mich an, nicht auf ihn zu hören, Garrett einfach zu töten und mir um die Folgen später Gedanken zu machen.
»König Edmund hat noch einen dritten Sohn«, sagte Jeck. »Er ist kein tatkräftiger Mann, aber dennoch ein Sohn. Wenn eure Prinzessin ihn als Ehemann in Betracht –«
»Alexander!«, brüllte Garrett. »Ihr könnt Alexander nicht als Mann bezeichnen. Er ist ein wertloser –«
»Haltet den Mund!«, schrie ich. Ich warf den Kopf zurück, weil mir eine rote Locke vors Auge fiel, als sich mein Haarknoten langsam auflöste. »Ich dulde den einen Misdever Hund nicht in meinem Palast. Weshalb sollte ich einem anderen trauen?«
Jeck beugte sich begierig vor. »Die Vereinigung von Misdev und Costenopolis –«
Meine Augen weiteten sich. »Du willst damit nur deine Haut retten!«, unterbrach ich ihn. »Wenn du König Edmund einen toten Prinzen nach Hause bringst, wird er dich so weit degradieren, dass du nicht mehr richtig spielen kannst.«
»Spielen …«, flüsterte Garrett.
Jeck straffte die Schultern und warf Garrett einen unbehaglichen Blick zu. »Tess …«, sagte er warnend.
»Wenn er dich nicht gleich mit dem Tode bestraft«, fuhr ich hitzig fort, ohne mich darum zu scheren, dass Garrett mehr hörte, als er hören sollte. »Hier ist mein Vorschlag. Ich töte Garrett, und die Prinzessin heiratet gar nicht. Die Prinzessin vom Roten Mond bleibt unverheiratet, und damit wird diese verdammte Prophezeiung bedeutungslos!«
Jeck sah mich offen an. »Du hast recht. Ich denke an meine eigene Sicherheit, und deine Idee könnte klappen, aber Tess …« Seine Stimme nahm einen verschwörerischen Tonfall an, und ich begegnete seinem durchtriebenen Blick. »Stell dir nur vor, wie stark wir gemeinsam wären. Misdev und Costenopolis können trotzdem noch eine
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