Topchter der Köingin Tess 1
heilen.«
Sie nahm mich beim Arm und führte mich hinaus. Duncan packte Thadds Ellbogen und zog den widerstrebenden Bildhauer in eine Ecke, um ihm von seinem großen Kampf zu erzählen. Ich ging an Kavenlow vorbei, dem ich den dringenden Wunsch ansah, eine Erklärung von mir zu verlangen. Ich ignorierte auch Jecks Stirnrunzeln, das die Frage stellte, ob ich mich an unsere Abmachung halten würde. Das konnte warten. Sie alle konnten warten. Das würde den Männern ganz guttun.
Die Luft auf dem Flur war kühl, und die Costenopolier Gardisten hatten die niedergerungenen Misdever Männer fortgeschafft. »Steckt den Hauptmann in die Zelle, in der ich vorher war«, hörte ich den Hauptmann von Vaters Garde sagen, und ich blieb stehen.
»Bitte … Prinzessin Contessa«, stammelte ich und stolperte über die Worte. »Hauptmann Jeck – ihn trifft keine Schuld. Er hat versucht, mich vor Prinz Garrett zu schützen – am Ende.«
Sie lächelte und sah aus wie unsere Mutter. »Nenn mich Contessa«, sagte sie. »Ich kann es nicht ausstehen, so vornehm angeredet zu werden, und da du die Einzige bist, die jetzt noch das Recht hat, mich beim Vornamen zu nennen, bitte ich dich, das zu tun.« Sie drehte sich zu meinem Salon um. »Hauptmann Jeck wird in einem der Audienzgemächer festgesetzt, ebenso wie Prinz Garrett. Der Hauptmann hat mich äußerst höflich behandelt, solange ich seine Gefangene war, und ich werde ihm die gleiche Freundlichkeit erweisen. Außerdem möchte ich hören, was Tess zu den Vorkommnissen zu sagen hat, ehe ich über die Gefangenen entscheide.« Mit ängstlichem Blick nahm sie meinen Arm. »Tess, du musst mir helfen. Ich muss eine Möglichkeit finden, meinem Nachbarn zu erklären, dass sein Sohn verrückt geworden ist.«
Kavenlow fing meinen Blick auf und lächelte. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, während die Prinzessin mich Flure entlanggeleitete, die nun doch wieder mir gehörten.
35
Könntest du etwas leiser mit deiner Teetasse klappern? Du weckst sie noch auf«, sagte Kavenlow im Nebenzimmer, und ich erwachte endgültig aus dem Halbschlaf.
»Aber der Morgen ist schon fast vorüber«, jammerte Duncan, doch es klang eher verschlagen als respektvoll. »Sie muss sie sehen. Wenn sie noch lange wartet, werden sie vielleicht abgenommen.«
Kavenlow lachte leise. »Sie werden nicht abgenommen, bis sie es befiehlt. Sie steckt irgendwie dahinter. Da bin ich sicher.«
Neugier ließ mich die Augen öffnen. »Hinter was?«, rief ich und starrte die Wand an. Meine herrlich kahle, weiße Wand ohne Schmutz, Stöckchen oder Laub.
»Tess!«, rief Duncan aus meinem Salon herüber. »Zieh dich an. Es ist schon fast Mittag. Beeil dich. Du hast einen Termin bei der Prinzessin.«
Ich warf die schwere Bettdecke von mir. So lange hatte ich noch nie geschlafen. Aber ich war ja auch die halbe Nacht aufgeblieben: Ich hatte die letzten von Prinz Garretts Wachen aufgespürt, den Koch und die Gardisten unter Banner hervorgeholt und Kavenlow von der Vereinbarung berichtet, die ich mit Jeck getroffen hatte. »Einen Termin?«, rief ich und klatschte mir abgestandenes Wasser ins Gesicht. »Ich habe keinen Termin vereinbart.«
»Die Prinzessin schon«, entgegnete Kavenlow trocken. »Sie schlüpft mit einer beängstigenden Zielstrebigkeit in ihre neue Rolle. Zieh etwas Hübsches an.«
Er klang verärgert, und ich zog mich hastig an und steckte mir das Haar mit den üblichen Pfeilen sowie dem neuen Blasrohr hoch, das Kavenlow mir geschenkt hatte. Ich griff nach der Bullenpeitsche und ließ sie dann auf dem Nachttisch liegen. Sie hatte versagt; die Pfeile nicht. Mit im Rücken halb offenem Kleid trat ich in meine Schlafzimmertür und fand Duncan und Kavenlow vor, die gesellig an meinem kleinen Tisch saßen.
Duncan hatte seine abgewetzten Stiefel wiedergefunden, und die Sohlen lagen zwischen den leeren Schüsseln und Tellern, die über den Tisch verstreut waren. Kavenlow blickte müde aus meinem Fenster in den ruinierten Park hinaus. Eine Kuh spazierte gemächlich vorüber, ein ebenso verstörender wie belustigender Anblick. Wo der Misdever Gardist gelegen hatte, war ein farbenfroher neuer Teppich ausgebreitet, und eine Duftkerze brannte noch, um den letzten Hauch des Todes zu vertreiben. Ich fand es erschreckend, wie leicht etwas so Endgültiges wie der Tod zu überdecken war.
»Könnte mir einer von euch bitte das Kleid schnüren?«, fragte ich, und die beiden fuhren zusammen.
»Sitzen bleiben«, sagte
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