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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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floss.
    Mit einem dumpfen Knurren schob ich mich voran, aber Kanin legte warnend eine Hand auf meinen Arm. »Ganz leise«, hauchte er in der Dunkelheit. »Nicht jede Mahlzeit muss brutal und blutig sein. Wenn du vorsichtig bist, kannst du dich von einem schlafenden Opfer nähren, ohne es zu wecken. Die alten Meister haben diese Technik häufig angewandt, weshalb in manchen Regionen Knoblauchketten an Bett und Fenstern so beliebt waren, auch wenn sie keinerlei Wirkung hatten. Aber du musst achtsam und äußerst geduldig vorgehen – wenn das Opfer aufwacht, bevor du zubeißen kannst, wird die Sache hässlich.«
    » Bevor ich zubeiße? Werden sie nicht automatisch wach, wenn sie spüren, wie … na ja … wie sich zwei endlos lange Zähne in ihren Hals graben?«
    »Nein. Der Biss eines Vampirs hat eine betäubende Wirkung auf den Menschen, wenn er sich im Zustand des Schlafes befindet. Im besten Fall behalten sie das Ganze lediglich als lebhaften Traum in Erinnerung.«
    »Wie funktioniert das denn?«
    »So ist es nun mal.« Wieder einmal klang Kanin genervt. »Also, wirst du es tun, oder sollen wir woanders hingehen?«
    »Nein«, murmelte ich mit Blick auf das Lager. »Ich denke, ich schaffe das.«
    Kanin ließ meinen Arm los und drückte mir gleichzeitig ein in schmieriges Papier gewickeltes Päckchen in die Hand. »Wenn du fertig bist, hinterlasse das hier an einer Stelle, wo das Opfer es finden kann.«
    Stirnrunzelnd zog ich das Papier beiseite und entdeckte ein Paar ziemlich neuer, robuster Schuhe. »Was soll das?«
    »Es ist ein Tauschgeschäft«, erwiderte Kanin und wandte sich ab, als ich ihn fassungslos anstarrte. »Als Gegenleistung für den Schaden, den sie heute durch uns nehmen werden.«
    Das verwirrte mich. »Wozu die Mühe? Sie werden ja nicht einmal mehr wissen, dass wir hier waren.«
    »Ich werde es wissen.«
    »Aber …«
    »Stell keine Fragen, Allison«, unterbrach er mich müde. »Geh einfach.«
    »Na schön«, gab ich schulterzuckend nach. »Wenn du meinst.« Ich schob mir das Päckchen unter den Arm und näherte mich langsam meiner schlafenden Beute.
    Der Geruch nach Blut, Schweiß und ungewaschenen Menschen wurde mit jedem Atemzug stärker. Auf halbem Weg nahm ich am anderen Ende der Halle eine Bewegung wahr. Während ich mich hastig hinter einen verrosteten Stützpfeiler duckte, schlenderten zwei abgerissene Gestalten auf das Lager zu, die in ein murmelndes Gespräch vertieft waren. Überrascht erkannte ich einen der Jungen: Es war Kyle, der Anführer unserer alten Rivalen. Vereinzelt drangen Satzfetzen zu mir herüber, sie sprachen über Essen, Patrouillen und die Notwendigkeit, bald auch in anderen Revieren plündern zu müssen. Für mich war es wie ein seltsames Déjà-vu, auf diese Art Ausschnitte meines alten Lebens präsentiert zu bekommen.
    Als die beiden das Lager erreichten, stieß einer von ihnen plötzlich einen Schrei aus, hechtete vor, griff in einen der Kartons und zog jemanden am Knöchel daraus hervor. Der so aus seinem Versteck Gerissene kreischte schwach und versuchte sofort, wieder in seine Kiste zurückzukriechen, wurde aber von den beiden anderen daran gehindert.
    »Du schon wieder! Verdammt, Kleiner! Wie oft soll ich es dir noch sagen: Das hier ist mein Karton! Such dir gefälligst einen eigenen!«
    »Sieh dir das an«, sagte der andere Junge finster, nachdem er in das Innere des Kartons gespäht hatte. »Er war auch an deinem Essensvorrat, Kyle.«
    »Verdammter Pisser.« Wütend baute sich Kyle über dem zusammengekauerten Jungen auf, der nun vor seinen Füßen hockte, und verpasste ihm einen harten Tritt in die Rippen. »Erbärmlicher kleiner Scheißer!« Beim nächsten Tritt schrie der Junge auf und rollte sich eng zusammen. »Ich schwöre dir, wenn du so etwas noch ein einziges Mal machst, werde ich dich nicht einfach rausschmeißen, dann bringe ich dich um. Hast du das kapiert?« Ein letzter gut platzierter Tritt entlockte dem Opfer einen Schmerzensschrei, dann schob Kyle ihn mit dem Fuß beiseite. »Verzieh dich und geh sterben«, murmelte er noch, als er in seinen Unterschlupf ging und den Vorhang hinter sich zuzog.
    Durch diesen Ausbruch war auch der Rest des Lagers wach geworden, aus den Unterschlüpfen spähten verschlafene und verwirrte Gesichter hervor. Reglos blieb ich hinter dem Pfeiler hocken. Doch nachdem alle genügend gegafft hatten, verloren die Bewohner des Lagers das Interesse und kehrten in ihre diversen Schafstätten zurück. Ich hörte missmutiges

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