Torchwood 2: Wächter der Grenze (German Edition)
ihren Problemen verblassen, abgestreift, wie eine alte Haut. Ihre Polizeikarriere, die Wohnung in Riverside, die Beziehung mit Rhys; es wurde alles vom Job in den Schatten gestellt. Sie war immer davon ausgegangen – immer entschlossen gewesen –, beide Gwens sein zu können. Sie war glücklich mit ihrem Schicksal und hatte nie beabsichtigt, es zu ändern. Aber die alten Gewohnheiten schwanden dahin und wurden irgendwann von selbst irrelevant.
Das war ein schreckliches Wort, fand sie. Irrelevant . Gemein, es zu denken. Menschen entwickelten sich, das passierte einfach so, und manchmal musste man Dinge eben loslassen. Man musste Dinge loslassen, wenn man sie nicht mehr brauchte.
Gott, es würde schwierig werden, aber da musste sie jetzt durch. Es wäre Rhys gegenüber unfair, wenn sie sich einfach klammheimlich und ohne Erklärung aus dem Staub machte. Das hatte er nicht verdient.
Auf dem Sofa lag ein Haufen CD-Hüllen. Sie hatten vorhin Musik gehört. Sie war James’ Sammlung durchgegangen. Für jede coole Band wie Torn Curtain und The Buttons besaß er einen Heuler wie Boulder und Foreign Hazard. James führte das auf eine fehlgeleitete Jugend mit Kumpels zurück, die auf Metal und Prog-Rock standen. Irgendwie glaubte sie, dass Rhys Boulder immer noch mochte. Sie hatte einige ihrer Alben zwischen den Genesis- und Rush - CDs und den Jerry-Goldsmith-Soundtracks gesehen. Wie zum Teufel konnte sie so lange mit einem Mann zusammen gewesen sein, der einmal vorschlug, dass das „Vader’s Theme“ ein passender Hochzeitsmarsch sein könnte?
Dieser arme, sanfte, liebenswerte Mistkerl mit dem Dackelblick. Es würde so schwer werden.
„Kannst du nicht schlafen?“
Sie sah sich um. James lächelte sie an und unterdrückte ein Gähnen.
„Nein, tut mir leid“, sagte sie. Sie sah ihn an und hob die Augenbrauen.
„Was ist?“
„Du bist, wie meine Mutter sagen würde, sehr nackt“, bemerkte sie.
„Du auch.“
Gwen fühlte sich plötzlich verlegen.
„Es ist okay“, sagte James.
„Ich weiß. Ich kann mich nur nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal nackt zu Hause herumstolziert bin.“
Ihr fiel auf, dass James das „zu Hause“ hinnahm. „Wirklich?“, wunderte er sich.
„Ich mache das einfach nicht mehr.“
„Er würde auf komische Gedanken kommen, oder?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, es ist eher die Sorge, dass er nicht auf komische Gedanken kommen würde.“
James nickte. „Kommst du jetzt zurück ins Bett?“
Sie kuschelten sich im Dunkeln aneinander. Regentropfen prasselten gegen das Fenster.
„Dass ich hier bin, ist okay, oder?“, fragte sie.
„Was glaubst du denn?“
„So meinte ich das nicht. Ich dränge mich auf. Ziehe hier einfach ein.“
„Das ist okay. Es gefällt mir.“
Sie schwiegen.
„Es ist nur fair, mit ihm zu sprechen“, meinte James. „Wenn du dir über alles im Klaren bist, meine ich.“
„Ich weiß. Ich werde es tun. In den nächsten Tagen. Ich hasse es, zu lügen. Ich hasse die Lügen mehr als alles andere. Ich muss zurückgehen und mich den Konsequenzen stellen.“
Sie hielt inne.
„Und vielleicht ein paar Sachen mitnehmen.“
„Was zum Beispiel?“
„Ich weiß nicht. All mein Zeug.“
Er zog sie dichter an sich.
Das Sperrfeuer der Artillerie kroch näher. Große weiße Feuerblumen blühten in der Nacht auf. Die Schüsse klangen eher nach Trommelschlägen als nach Gefechtsfeuer, weil die Kanonen so laut dröhnten, dass man sie kaum hören konnte. Die Welt schüttelte sich und rasselte. Schlammiger Dunst stieg ihm stechend in die Nase, Furcht versuchte, sich mit scharfen Klauen wie ein eingesperrtes Raubtier den Weg aus seiner Brust nach außen zu bahnen.
Davey Morgan wachte auf. Es war dunkel. Schwarz wie damals im Krieg bei der Verdunkelung, dem Blackout. Die leuchtenden Zeiger seines kleinen Aufziehweckers bildeten einen winzigen grünen Fleck. Er tastete umher, fand seine Brille und setzte sie auf. Vier Uhr vorbei.
Der Lärm, der ihn aufgeweckt hatte, der Lärm, der in seinen Traum eindrang und ihn zurück ins Jahr 1944 versetzte, war nur der Sturm. Platzregen und ein scheppernder Sturm. Etwas rumste und klopfte unaufhörlich.
Frierend bis auf die Knochen schwang sich Davey langsam aus seinem Daunenbett und stellte seine Füße auf den abgewetzten Teppich. Er schlüpfte in seine Pantoffeln und seinen Morgenmantel. Sein Knie schmerzte, als er das Gewicht darauf verlagerte.
Das Rumsen kam ganz aus der Nähe. Es hörte
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