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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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Frage-und-Antwortspiel, hundertfach erprobt mit Rikschakulis und Marktfrauen.
    »
Nĭ shì nǎguó rén?
« Die Frage nach ihrer Nationalität kam immer als Erstes   – klar, wenn man auffiel wie ein bunter Hund. Inge erklärte dann immer stolz, dass sie aus »Tugendland«, aus »
Déguó «
käme. Das war ein bisschen so wie mit ihrem eigenen Namen; freundlicherweise hatten die Chinesen für »dé« wie Deutschland ein Schriftzeichen mit hohen Ansprüchen gewählt, denen die Realität nicht immer gerecht wurde.
    »
Nĭ. jĭ suì?
«, folgte dann unausweichlich, und Inge hatte bald gemerkt, dass sie beim Alter leicht ein bisschen schummeln konnte, weil Chinesen Westler nur schlecht schätzen konnten. Umgekehrt ging ihr das übrigens genauso.
    »
Nĭ bàba zuò shénme?
« Mit der Antwort auf die Frage, was ihr Vater mache, konnte Inge immer punkten. Ein Konditor, der leckere Kuchen buk, war ein nützliches Glied der Gesellschaft und wurde in jedem Land gebraucht.
    Aber spätestens bei der Frage, warum
sie denn nach Schanghai gekommen seien   – »
Nĭmen wèishénme lái Shànghǎi?«
– wurde es komplizierter. Doch als Inge darauf antwortete, dass es in ihrem Land Krieg gäbe, erwiderten ihre Mitfahrer nur gutmütig lachend: »
Dànshì zhèli yě yíyàng a!
«   – Aber hier doch auch.
    Damit war die erste Neugier gestillt, und Inge bekam wegen dieser grundlegenden Gemeinsamkeit von allen Seiten Reiseproviant angeboten. Jetzt konnte sie sich zurücklehnen und die Fahrt genießen, den Fährmann bei seinen Ausweichmanövern beobachten und sich den Wind durch die Haare wehen lassen. Leider war die Reise über den Fluss viel zu kurz, sie legten bereits wieder an. Ihre neuen Freunde verabschiedeten sich herzlich und wortreich und wurden durch eine weitere Bootsladung Bauern ersetzt, die mit ihren Produkten zum Markt fuhren.
    Inge hatte sich nie überlegt, woher das Gemüse kam, das sie täglich frisch in der Markthalle kaufte. Nun hatte sie einen Blick auf das ländliche Gegenüber des großstädtischen Bund getan, der sich bei derRückfahrt ebenso majestätisch vor ihr auftat wie bei ihrer Ankunft vor zweieinhalb Jahren.
    Als das Fragespiel von Neuem losging, hatte Inge keine Lust mehr. Sie wollte jetzt in Ruhe den Ausblick genießen und zuckte bloß mit den Schultern.
    »
Tīngbùdǒng
– Nix verstehn.«
    Damit war die Sache erledigt, aber man vergaß dennoch nicht, ihr mit typisch chinesischer Fürsorglichkeit etwas zu Essen anzubieten: »
Chīfànle
méi yǒu?
«   – Hast du schon gegessen? Auch ein Sprachloser durfte nicht hungrig bleiben.
    Satt und zufrieden kehrte Inge von ihrem kostengünstigen Bootsausflug heim in die Bubbling Well Road.
     
    Auch wenn Sanmao jetzt selten Zeit hatte, mit Inge durch die Stadt zu ziehen, so hielt er doch streng an den regelmäßigen Kungfu-Stunden im verwilderten Hatong-Park fest. Und diese Bemühungen fielen auf fruchtbaren Boden. Seine Schülerin übte täglich im Hof und schlug sich mittlerweile schon ganz wacker.
    »Gut gemacht«, sagte der mit Lob sonst so sparsame Meister, als sie einen seiner Scheinangriffe mit schlafwandlerischer Sicherheit parierte. Ihm stand jetzt kein kleines Mädchen mehr gegenüber, sondern eine hoch aufgeschossene Gestalt, die allmählich frauliche Formen annahm und fast auf Augenhöhe mit ihm kämpfte.
    »Da musst du dir schon was Neues einfallen lassen,
shīfu.
«, neckte sie ihn. »Diese Attacke kenne ich schon.«
    Das ließ sich der Meister natürlich nicht zweimal sagen. Schließlich ging es hier um seine Autorität als Lehrer; sein Stolz verbot es, sie infrage gestellt zu sehen.
    Blitzschnell lancierte er eine rasche Abfolge von Arm- und Beinhieben auf Inges rechte Seite, die sie aus der Balance locken sollten. Das Manöver gelang, und als Inge merkte, dass es sich um eine Finte handelte, war es bereits zu spät; er hatte sie auf dem sprichwörtlichen falschen Fuß erwischt. Jetzt hatte er leichtes Spiel mit ihr, seine Linke drückte mit sanfter Gewalt gegen ihre Schulter, sodass sie rücklings zu Boden ging. Lustvoll ließ Inge sich nach hinten ins weiche Gras fallen.
    Damit hatte nun wiederum Sanmao nicht gerechnet, der mehr Widerstand erwartet hatte. Die überschüssige Schubkraft ließ ihn vornüberkippen, und er landete ebenfalls weich   – auf seiner Schülerin.
    Um die Peinlichkeit zu überspielen, begannen beide zu lachen. Sanmao rappelte sich sofort wieder auf, zog Inge hoch und versuchte, die Situation didaktisch zu

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