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Tortengraeber

Tortengraeber

Titel: Tortengraeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Gottes vom amerikanischen Modell infiziert, weswegen er zu einer direkten Problembeseitigung raten müsse.
    Nicht daß Hufeland das Sagen hatte, schließlich war er ja nur so eine Art Alterspräsident aus dem quasi oberweltlichen Milieu. Aber man hörte gerne auf den Meister der forensischen Psychologie. Und verzichtete also diesmal auf die üblichen Verhandlungsangebote, auf den ganzen Jointventure- und Fusionskram. Drei angeheuerte Spezialisten, pikanter- und idealerweise die Leibwächter des Ungarn, zogen selbigen für alle Zeit aus dem Verkehr, und zwar auf die angeordnete plumpe Weise: durch Schädelzertrümmerung.
    Was man nun in Wien gar nicht schätzte, das war das häßliche Wort Bandenkrieg, welches einen balkanesischen Klang besitzt. Zudem war der Geschäftsmann mit der halben Regierung seines Landes befreundet gewesen, inoffizielle diplomatische Drohgebärden mußten befürchtet werden. Hufeland war um Ruhe bemüht, unten wie oben. Weshalb ein paar Idioten benötigt wurden, die dem tragischen Vorfall eine kleinkriminell-harmlose Note verliehen. Wedekind stand am Ende einer schwarzen Liste, in die Hufeland Einsicht nahm. Auf der Liste, weil renitent. An deren Ende, weil unbedeutend. Und ebendarum bestens geeignet.
    Natürlich konnte sich jeder, der ein wenig Sachkenntnis besaß, vorstellen, daß kein läppischer Einbruch und tadelloser Totschlag das Ende des Ungarn verschuldet hatten, aber es ergab dennoch ein hübscheres Bild. Auch wenn Verschwörungstheorien in den Köpfen kreisten, die Presse hielt still. In Budapest wurde zwar gemurrt – aber mit Bedacht, muß fairerweise gesagt werden. Wie meinte ein ungarischer Politiker: Wer im Spiel bleiben will, der muß auch hin und wieder ein guter Verlierer sein. So sind die Ungarn.
    Wedekind war nicht unglücklich, das Gefängnis verlassen zu können. Doch das Leben, das ihn erwartete, bot wenig Aussichten. Die Zeiten waren nicht unbedingt besser geworden. Selbständig arbeitete nur noch der Abschaum, Verzweifelte, Süchtige, Irre. Und daß keine der Organisationen ihn jetzt noch aufnehmen würde, wußte er ja. Schon gar nicht dachte er an Rache. Die nach Vergeltung dürstenden Ein-Mann-Kommandos der Wirklichkeit endeten stets tragisch. Er mußte sich zunächst einmal ruhig verhalten. Wovon man bekanntermaßen nicht leben kann. Eine entfernte Verwandte, die vier Doggen im Haus und Wasser in den Beinen hatte, nahm ihn auf. Dafür mußte er den halben Tag mit den Kälbern durch die Gegend ziehen, bei jeder Temperatur. Was aber besser war, als mit der Alten im Zimmer zu hocken.
    Am Rande des Dornbacher Friedhofs traf er den Hans Adam Gigerer, den man unergründlicherweise den Siebenten nannte und mit dem Wedekind in besseren Zeiten ein paar Kooperationen eingegangen war. Dem Siebenten schien es bestens zu gehen, er trug einen zitronengelben Kaschmirmantel und hatte sein graues Haar mit einer Schleife von ebensolcher Farbe zu einem Zopf gebunden. Ein modischer Ausdruck dafür, daß er in die mittlere Führungsebene des herrschenden Syndikats aufgestiegen war, wo man einen Hang zum Vulgär-Exzentrischen besaß, Schmetterlingsbroschen und Knebelbärte trug und in Gourmettempeln verkehrte. Ganz oben dagegen gab man sich zurückhaltender, verzichtete auf Eskapaden und snobistisches Gehabe, trug graue Westen unter den grauen Jacken und speiste in den Wirtshäusern der Vorstadt.
    Wenn der Siebente früher gelacht hatte, hatten seine Kollegen gesagt: Ui, der Blauschimmel. Jetzt blitzten die weißen Zähne wie Krachmandeln auf, zwischen denen ein Schlagbaum von einer Zigarre steckte. Sein Grinsen schien im Jochbein festzustecken. Soeben hatte er einen alten Freund auf den letzten Weg begleitet.
    Wedekind kondolierte.
    »Reizende Hunderln«, sagte Gigerer und grinste die Doggen an.
    Wedekind gab unumwunden zu, wie es mit ihm stand. Die Rolle Hufelands ließ er dabei wohlweislich unerwähnt. Es war besser, diesen Namen nicht einmal zu denken.
    Gigerer war in Geberlaune, bekundete Mitleid, na ja, Wedekind habe sich unklug verhalten, habe gebüßt. Die einzige Buße, die niemals ende, sei der Tod. Vielsagend blickte er hinter sich, wo die Trauergesellschaft stand. Das einzige Schwarze waren die Limousinen. Bei der Kleidung dominierten gelbe und tiefrote Farbtöne. Ein blühendes Blumenbeet im Winter. Der Siebente notierte sich Wedekinds Telefonnummer auf der Rückseite einer Todesanzeige, die wie die Einladung zu einer Konfettiparty gestaltet war. Und versprach, er würde

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