Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)
Pantin und Beuzeville vorgesehen habe. Und schließlich der Allmächtige, der Viviane nochmals sprechen wollte: Auf den Internetseiten der Zeitungen frage man sich schon, warum die Zeugen den Mördern überlassen würden.
Die Kommissarin fuhr nach Hause. Das Telefon hatte gewonnen. Dieser Sonntag würde ihm gehören. Sie rief an, beruhigte, verhandelte mit der Schutzpolizei, beschwor, forderte. Vier Stunden später war alles organisiert: Ab diesem Abend würden vor den Häusern aller Protagonisten Wachleute stehen. Frankreich atmete auf. Die Kommissarin hätte es ihm gerne gleichgetan.
Montag, 11 . Februar
Louis Saint-Croÿ betrat Vivianes Büro, etwas verlegen, und wiederholte seine Entschuldigungen wegen des verpassten Termins mit ihr.
Sie unterbrach ihn: » Was können Sie mir über Xavier Baudelaire sagen?«
Er schien überrascht, rieb sich seine kleinen manikürten Hände und schaute sie an, als fände er dort die Antwort. » Ach, Commissaire, das ist eine alte Geschichte, in der ich keine gute Figur mache.«
Seine Version von den Abenteuern des Briefs über Edgar Poe stimmte überein, nur kam er zu einem anderen Schluss. » Der Typ ist überzeugt, dass ich ihn über den Tisch ziehen wollte. Tatsächlich habe ich etwas sehr falsch eingeschätzt. Die angebliche Schrift von Baudelaire kam mir suspekt vor. Die Expertise bestätigte, dass er wohl der Autor dieses Briefs war, ihn aber in einem Zustand fortgeschrittener Trunkenheit geschrieben hatte, was die fliehende Schrift erklärte. Außerdem gab es, anders als ich dachte, nie einen endgültigen Brief an Théodore de Banville. Kurz, ein Doppelfehler meinerseits, den ich noch heute bereue. Wäre ich besser beraten gewesen, hätte ich ein sehr viel höheres Angebot als das des Museums in Richmond vorgelegt.«
» Und nun wollen Sie Xavier Baudelaire an den Kragen?«
» Aber nein, warum? Er hat das sehr gut gemacht. Im Gegenteil, er hat etwas gegen mich. Ich habe versucht, ihm zuzureden, aber er wollte mich nicht anhören. In gewisser Weise ist mir das recht: In meinem Beruf geht man besser als Filou denn als Dummkopf durch.«
» Und Jean-Paul Cucheron, haben Sie sich mit ihm zerstritten?«
» Cucheron? Exzellenter Grafologe! Er hat seinen Job gemacht.«
» Kennen Sie Astrid Carthago?«
» Nein, auch wenn man in den Zeitungen über sie geschrieben hat. Warum? Glauben Sie, dass sie in dieser Sache eine wichtige Rolle spielt?« Er hatte das mit neugierigem Unterton gefragt, fast zudringlich.
Diese Art Fragen beantwortete Viviane grundsätzlich nicht. Sie war die Ermittlerin. » Wenn ich Ihnen sagen würde, dass Ihre Angestellte Joa ein Doppelleben führt, was würden Sie antworten?«
» Joa? Sie geht abends nie aus. Das ist unmöglich, Commissaire. Absolut ausgeschlossen.«
» Wissen Sie, es gibt in diesem Fall viele unmögliche Dinge.«
Sie brachte ihn zur Tür, finster. Dieser Typ war alles andere als ein Spinner.
Dienstag, 12 . Februar
Monot hatte eine kleine Pressemappe vorbereitet, die er ihr lachend brachte. Ganze Spalten waren den Interviews mit den Zeugen gewidmet: » Die Einsiedler im Fall Baudelaire«, titelte ein Blatt. » Ein Leben in Angst«, ein anderes. Saint-Croÿ erzählte, dass er endlich » unter Polizeischutz wieder nach Paris zurückkehren durfte«, Cucheron versprach, seine Expertise zu Ende zu führen, trotz » Panik im Bauch«, und Viviane fragte sich, ob das wohl Einfluss auf seinen Mundgeruch hatte. Christophe Le Marrec versicherte, dass Astrid Carthago alle ihre Termine und Begegnungen zwischen den Verstorbenen und Lebenden einhalten würde, das sei eine Frage ihres Berufsethos. Patricia Mesneux beteuerte, bereits von mehreren großen Verlagen Angebote bekommen zu haben, wobei diese von ihrem labilen Zustand zu profitieren suchten und ihr ganz lächerliche Summen boten. Auch wenn ihr Leben in Gefahr sei, das heilige Erbe ihres Mannes, dieses bewundernswerten Dichters, würde sie nicht verschleudern. Sie halte für alle einige Rondeaus, Stanzen und Elegien zu einem vernünftigen Preis bereit.
Und jeder nutzte die Gelegenheit, um Gutes über sich selbst zu sagen, über seine Sammlung, seine Expertisen, seine Kontakte mit dem Jenseits. Gary erklärte, wie diese furchtbare Stimmung sich auf die Vorbereitung seines Abiturs auswirke: Er hatte ganz recht, der Junge, so würde man bei der mündlichen Prüfung ein Auge für ihn zudrücken. Die kleine Laurette Saint-Croÿ hatte einige Interviews gegeben, sie knüpfte Beziehungen,
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