Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)
voran? Oder warten Sie, bis wir alle tot sind, um sie als abgeschlossen zu betrachten?«
Um ihr Gesicht zu wahren, erklärte die Kommissarin, dass die Ermittlungen fast abgeschlossen seien, dass sie glaube, den Schuldigen identifiziert zu haben. Sofort bereute sie ihren plötzlichen Einfall– jetzt machte sie es schon wie Monot!
Dann rief Viviane Laurette an. Mit gebrochener Stimme gestand sie, den Abend allein zu Hause verbracht zu haben: Sie habe ihren Vater mit Joa erst gehen, dann kommen sehen. Viviane war vor Mitleid ganz ergriffen. Sie stellte sich vor, wie die Kleine ihre Joa am Abend des Valentinstags am Arm ihres Vaters sah; das war die Höhe. Die Kommissarin versuchte sie zu trösten und suggerierte ihr, dass Joa vielleicht keine Wahl hatte. Die junge Saint-Croÿ brach in Tränen aus.
Jean-Paul Cucheron zeigte sich weniger gefühlsverwirrt. » Ich bin auf dem Boulevard Bessières mit dem Auto herumgefahren und habe eine Nutte mitgenommen. Eine Schwarze aus Kamerun. Ich kenne ihren Namen nicht, aber ich kann sie wiederfinden. Oder Ihnen ihre Specials sagen, interessiert Sie das?« Großartiges Alibi, sie gratulierte ihm.
Blieb nur noch Xavier Baudelaire.
» Ich nehme an, Sie haben den Valentinstag mit Madame verbracht?«
» Nein, ich war in Paris, mit einer Journalistin von der Zeitung Aujourd’hui.«
Er hatte das so nebenbei gesagt, aber Viviane war nicht dumm: Er jubilierte! Eine Journalistin hatte ihn ausgegraben, er würde in die Zeitung kommen, Le Parisien und Aujourd’hui, alle Ausgaben, in ganz Frankreich! Er war zu zufrieden, um das verstecken zu können.
» Sie haben auch kein Stillschweigen gewahrt. Warum sollte ich das tun? Der Unterschied ist, dass man das schreiben wird, was für mich interessant ist. Ich habe ihr von meinen Lecksteinen erzählt, sie fand mich spannend. Sie können es morgen lesen. Ich habe eine halbe Seite, ganz zu schweigen von dem Foto, wo ich mit meinem Kill Mouch’ posiere. Können Sie sich vorstellen, was mich das als Werbeanzeige gekostet hätte?«
Nachdenklich legte sie auf. Sie hatte den Eindruck der Wahrheit ganz nah zu sein, ohne sie zu sehen. Welche Wahrheit? Sie kannte jetzt alle Bettgeschichten vom Valentinstag.
Da kam der köstliche Monot, ganz verstört. » Tut mir leid, Commissaire, Kopfkissenpanne. Ich hatte eine Schlaftablette genommen.«
» Ja, natürlich: Sie haben zu Abend gegessen, dann haben Sie eine Schlaftablette genommen, die bei… 20 minutes tätig ist. Blond oder brünett, die Schlaftablette?«
Er schien noch bedrückter. » Nein, wir haben nur gegessen, nichts weiter. Sie haben mich gestern aufgefordert, mich zwischen der Ziege und dem Kohl zu entscheiden. Schon geschehen, wir haben uns getrennt. Ich habe ihre Art, mir die Würmer aus der Nase zu ziehen, sowieso nicht mehr ertragen.«
Sie fühlte sich plötzlich wieder mehr Frau. Man musste ihn trösten, den Jungen. » Lassen Sie den Kopf nicht hängen, Monot, morgen lade ich Sie ins Restaurant ein. Eine Gelegenheit, alles zu erörtern, nach diesem ersten Monat bei der Kripo.«
Er nickte und machte große Augen wie ein kleiner Junge, den man auf die Kirmes mitnimmt. Sie fasste den Vorabend und ihre Anrufe für ihn zusammen und bat ihn, die Autopsie zu veranlassen.
Die Kinderaugen nahmen einen tragischen Ausdruck an. » Ich verstehe nicht, warum man sie getötet hat. Hatte sie das Sonett zwischen den Händen? Neulich haben Sie mir das nicht beantwortet.«
Viviane erzählte ihm von der Sitzung beim Medium: Ja, Astrid habe das Sonett gesehen, habe es berührt. Sie fühlte sich plötzlich schuldig.
Monot versuchte, ihr das auszureden. » Vielleicht konnte sie ja wirklich mit verstorbenen Schriftstellern in Verbindung treten. Man wollte verhindern, dass sie ihr etwas sagen.«
Noch nie hatte die Kommissarin eine solch skurrile Hypothese in Betracht gezogen. Sie fragte sich, ob es nicht viel skurriler war, wenn sie diese Hypothesen zu schnell ausschloss. Sie führte diese Ermittlungen wie eine Wespe, die gegen die Scheibe flog, sie regte sich auf, ohne etwas sehen zu wollen.
Samstag, 16 . Februar
Viviane rief Astrid Carthagos Bank an: Man bestätigte ihr die Aussage von Christophe, der umfassende Vertrag über eine Lebens versicherung war fertig, Astrid hätte nur noch unterschreiben müssen. Aber Christophe hatte nicht alles verloren. Es gab noch eine Sterbe geldversicherung zu seinen Gunsten. Und die war gültig.
Die Kommissarin vertiefte sich wieder in ihre Notizen, nahm noch
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