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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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anderen Seite der Avenue schlief der Parc de Choisy friedlich hinter seinen Gittern. War das nicht der beste Ort, um Zuflucht zu suchen? Sie trieb Monot an, und sie überquerten schnellstens die Straße. In der Ferne sahen sie das Motorrad, das an der roten Ampel kehrtmachte.
    Viviane begriff die Dummheit ihres Reflexes zu spät. Warum waren sie nicht auf dem anderen Gehweg geblieben? Sie boten jetzt erneut eine perfekte Zielscheibe. Das Motorrad wurde von einem Reisebus verdeckt; in wenigen Sekunden würde es auftauchen. Sie mussten fliehen.
    Monot lief zum Parkgitter, das abends verschlossen war. Er war groß genug, um hinüberzuklettern. Aber Viviane? Zu klein, zu schwer, sie würde es nicht schaffen. Monot hatte ebenso schnell gedacht wie die Kommissarin. Er war zurückgekommen, hatte sich auf sie geworfen und sie zwischen zwei Autos auf den Boden gedrückt, die nur etwa vierzig Zentimeter hintereinander parkten. Es war eng, sie passten kaum dazwischen. Monot lag auf Viviane und bedeckte sie mit dem schwarzen Mantel, den er bis über ihre Gesichter hochgezogen hatte. Sie hörten das Motorrad kommen und auf den Gehweg fahren.
    Das Fahrzeug fuhr langsam nur wenige Schritte an ihrem Versteck vorbei und hielt zehn Meter entfernt davon vor dem Parkgitter an. Die Killer fragten sich wahrscheinlich, ob die beiden Bullen hinübergeklettert waren. Viviane und Monot rührten sich nicht: Wenn das Weiß ihres Gabardinemantels oder die Fahlheit ihrer Gesichter aus dem schwarzen Mantel hervorschauen würden, wären sie verloren– die Motorradfahrer würden sie sehen.
    Beschützt von Monot, fühlte Viviane diesen warmen Körper, unbeweglich auf ihrem, und verspürte eine merkwürdige Sinnlichkeit. Es schien ihr plötzlich – war es der Ingwer? –, ja, es schien ihr, dass der Lieutenant auch ein immer größer werdendes Vergnügen daran hatte… Dieser Lümmel, als ob das der richtige Moment wäre! Ohne zu wissen warum, erinnerten sie das Weiß ihres Gabardinemantels, das Schwarz von Monots Mantel und die Erregung, die sie überkam, an etwas. Plötzlich fiel es ihr ein:
    Hüfte und Brust ganz bleich, aus Ebenholz Bauch und Schenkel,
    Sind nur noch Wogen eines Begehrens ungeheuer.
    Viviane hätte gerne gebetet, wie Joa, um die Angst zu besiegen, die sie überkam, aber sie hatte es nie gelernt. Also wiederholte sie, wie eine absurde Beschwörung: » Hüfte und Brust ganz bleich, aus Ebenholz Bauch und Schenkel, sind nur noch Wogen eines Begehrens ungeheuer, Hüfte und Brust ganz bleich, aus Ebenholz Bauch und Schenkel, sind nur noch Wogen eines Begehrens ungeheuer…«
    Sie hörte, wie der Motor ausgeschaltet wurde und die Fahrer unter ihren Integralhelmen einige Worte miteinander wechselten. Sie setzte ihre Beschwörung fort, zwei Minuten, drei Minuten.
    Monot flüsterte ihr ins Ohr: » Jetzt schnell, sie werden bald wiederkommen.«
    Die beiden Polizisten richteten sich auf. Das große orangefarbene Motorrad parkte immer noch am selben Platz. Und weit entfernt im Park kamen zwei Silhouetten langsamen Schrittes zurück. Wie zwei Jäger.
    Die Kommissarin und ihr Assistent wechselten auf die andere Straßenseite. Sie sahen die Killer über das Gitter klettern. Monot riss Viviane plötzlich in seine Arme und drehte ihnen den Rücken zu.
    » Tut mir leid, das ist, um Ihr weißes Ding zu verstecken, das sieht man sogar nachts von Weitem.«
    » Das ist ein Gabardinemantel, Monot. Kein Ding, ein Gabardinemantel.«
    Sie hing weiter an ihm, fröstelnd– nur vor Angst? Als das Motorrad davonfuhr, löste sie sich endlich von ihm. Es schien ihr, als habe sie in wenigen Minuten jeglichen Einfluss auf ihren Lieutenant verloren.
    » Tut mir leid, Monot, die Straßenseite zu wechseln war keine gute Idee. Ihre hingegen war großartig.«
    Er zuckte die Schultern, als sei das eine Lappalie und zeigte ihr die Stelle, wo sie sich versteckt hatten.
    » Wir hatten Glück. Was uns gerettet hat, war diese Halterung von dem Mülleimer genau vor dem Gittertor: Die müssen gedacht haben, dass wir das benutzt haben, um über das Tor zu klettern. Wer kann diese beiden Typen auf uns gehetzt haben?«
    Sie zog Monot in die enge Rue des Deux-Avenues. » Der Mordversuch ist einfacher zuzuordnen als das Sonett, Monot. Reinster Tolosa. Ein Motorrad, zwei Killer, so rechnet er immer ab.«
    » Aber woher wusste er, wo er uns findet?«
    Viviane antwortete nicht. Die Frage schmerzte sie. Wer hatte den Killern sagen können, dass sie mit ihrem Lieutenant oben an der

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