Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
sich mit einem Blümchenkaffee, in den sie ihr Graubrot tunkte, was sie wieder an die junge Tote erinnerte. Warum wollte man die Leiche ertränken?
Kapitel 8
Um 9 Uhr traf sich die Kommissarin mit Königin an der Tür der Royal-Lodge. Königin unterhielt sich in einer fremden Sprache mit einem Mann, dessen sanfter Blick von einem großen grauen Schnurrbart unterstrichen wurde. Der Türke schien über sechzig zu sein. Sein Körper, massig und muskulös, war aber noch der eines Jahrmarktringers.
» Ist Ihr Lieutenant nicht da?«, fragte Königin.
Sie war irritiert, wirkte angespannter als am Morgen nach dem Aufstehen. Viviane beruhigte sie, Willy würde bald kommen.
» Eben hat der Arzt die junge Frau wegbringen lassen«, verkündete Königin. » Er hat den Badetod diagnostiziert. Zecher-Koko hat geholfen, das Mädchen wegzubringen, dabei hat er sie erkannt: Sie hat anscheinend gestern im Nachtclub viel getrunken und ist ziemlich betrunken von dort weggegangen. Gut möglich, dass sie wirklich baden gegangen ist und so betrunken war, dass ihr Herz Probleme gemacht hat, ob mit oder ohne Überdosis.«
Die Kommissarin war eine begeisterte Rechtsmedizinerin und mochte es gar nicht, wenn man ihre Diagnose infrage stellte, vor allem, wenn sie unsicher war. Um das Thema zu wechseln, kam sie auf den Zwischenfall mit King und dem jungen Mädchen zurück. » Manche meinen, es sei nichts passiert«, wagte sie sich vor.
Königin stürzte sich in einen Monolog, der vor erkalteter Wut nur so bebte. Sie war ganz außer sich über den Versuch, King rehabilitieren zu wollen. Nichts passiert? Weil sie zu früh dort gewesen sei. Es sei nicht dieses vermeintliche Techtelmechtel, das das Fass zum Überlaufen gebracht habe– es habe schon so viele davon gegeben sogar echte–, sondern die Art, wie ihr Mann darüber gelacht habe. Seiner Meinung nach habe die Kleine nur das Eine gewollt, und das könne er ihr doch nicht verwehren.
» Und das hat Sie so gekränkt, dass Sie nicht einmal seinen Leichnam zur Bestattung nach Frankreich begleiten wollten?«
» Um seine Eltern zu treffen? Das wäre der Gipfel gewesen. Ich bin Maronitin, er war sephardischer Jude. Unsere Familien waren gegen unsere Heirat. Meine Eltern haben ihn nie bei sich empfangen wollen, deshalb existiere ich auch nicht für seine Eltern.«
Ängstlich beobachtete der Türke die aufgekratzte Königin, Viviane wusste nicht, wie sie die Situation entspannen könnte. Lieutenant Cruyff nahm das schließlich in die Hand. Er kam in Sportkleidung, mit zerzausten Haaren und schweißgebadet angerannt und warf ein fröhliches » Huhu!« in die Runde.
» Steht Ihre Lodge unter Wasser, Willy? Wo kommen Sie denn her?«
» Vom Training am Strand. Als ich gesehen habe, wie spät es ist, war keine Zeit mehr, im Zimmer vorbeizugehen, also bin ich so gekommen, das war einfacher.«
Viviane antwortete nicht. Immer war alles einfach für Lieutenant Cruyff, sie sollte sich wohl daran gewöhnen.
» Nun«, meinte Königin genervt, » können wir loslegen? Was wollen Sie wissen?«
» Wenn der Türke für gewöhnlich nachmittags am Eingang steht, warum hat King ihn dann nicht am Morgen befragt?«, fragte Willy. » Dann hätte er sich auf seinem Posten nicht von seinem Sohn vertreten lassen müssen. In jedem Fall hätte er ihn als Ersten vorladen können, oder nicht?«
» Es hat meinem Mann Spaß gemacht, ihn schmoren zu lassen.«
Willy rieb sich das Kinn und machte ein Gesicht wie ein Ermittler. Er übertrieb. Viviane hielt ihm ihren Notizblock und einen Kugelschreiber hin. Wenn er hier war, dann um mitzuschreiben. Entgeistert sah sie, wie das Papier ihres Notizblocks auf den nassen Schenkeln ihres neuen Sekretärs aufweichte und der Stift sich geifernd hineinbohrte. Dann fragte sie den Türken, wann und wo er am Nachmittag an die Arbeit gegangen war. Königin übersetzte die Fragen, aber Viviane brauchte sie kaum, um die Antworten zu verstehen. Der Türke unterstrich seine Worte mit ausdrucksstarker Mimik und Gestik, er dolmetschte sich selbst: Er hatte damit begonnen, Blumen entlang der Treppe zum Amphitheater zu pflanzen, bis er an der Reihe war.
» Könnten Sie ihm sagen, dass er aufhören soll, zu untertiteln, das ist verwirrend«, schlug Willy Königin vor.
» Unmöglich, er spricht immer so, wegen seines taubstummen Sohnes. Für uns im Club ist das außerdem praktisch.«
Viviane wollte wissen, wer zu welcher Zeit im Amphitheater gewesen war. Der Türke mimte einen schweren,
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