Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
Körper einer Touristin, mit unbedarften weißen Streifen an Po und Brüsten, wie man Hunderte von ihnen am Strand sah. Aber dieser Körper hatte ihr etwas zu sagen. Warum war dieses Mädchen nackt schwimmen gegangen, obwohl es noch gar nicht wirklich hell war? War das nur ein Mitternachtsbad, das eine böse Wendung genommen hatte? Aber warum hätte man sie einfach so liegen lassen sollen?
Vivianes Blick fiel auf den kleinen Stapel Anziehsachen auf dem Liegestuhl. » Falten Ihre Freundinnen auch erst ihre Sachen, bevor sie sich zu einem Mitternachtsbad zu Ihnen gesellen, Willy?«
Der Lieutenant wurde rot. Er war zu niedlich.
» Vielleicht war das so eine Macke von dem Mädchen, Commissaire.«
» Die Macke, sich verkehrt herum auszuziehen, kannte ich noch nicht. Finden Sie es normal, dass die Unterwäsche unter der Hose oder dem T-Shirt liegt?« Ja, dieser Körper hatte ihr etwas zu sagen. Sie hätte dem Mädchen gerne in die Augen gesehen, aber die Lider waren geschlossen. » Haben Sie ihr die Augen zugemacht, Willy?«
» Ja, ich fand das respektvoller.«
Die Kommissarin zog an einem Lid, dann am anderen, sah sich noch einmal die Arme an, zog einen Nasenflügel hoch und lächelte: Der Körper hatte gesprochen. » Sie sind zu respektvoll, Willy. Sie haben ihr die Augen zugedrückt, ohne sie anzusehen. Die Pupillen sind extrem groß. Das Mädchen ist an einer Überdosis gestorben. Keine Spur von Einstichen, aber die Nasenschleimhaut ist gerötet. Kokain: eine Line, dieein schlechtes Ende genommen hat. Wahrscheinlich ist sie von einem Freund hier abgelegt worden, der keinen Ärger haben wollte. Ein klassischer Fall. Weniger klassisch war, das Ganze als Badeunfall tarnen zu wollen.«
» Kann man nach einer einfachen Line an einer Überdosis sterben?«
» Das ist selten, kommt aber vor. Vor allem, wenn man Herzprobleme hat. Oder Antidepressiva schluckt.« Viviane wurde nachdenklich. Die Situation war lächerlich: Sie, im Nachthemdchen kniend, ihr Lieutenant halb nackt stehend, das Mädchen ganz nackt, zwischen ihnen liegend. Egal, sie musste jetzt nachdenken. Sie erhob sich schließlich. » Ich weiß nicht, wer diesen Tod zu verschleiern versucht hat, aber eigentlich ist es gut so. Es gibt nur einen Fehler: der Ort. Man wird sie viel zu früh entdecken. ›Keinen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung‹, Sie erinnern sich? Tragen Sie sie ans Ende vom Strand, zum Felsen unterhalb des Nachtclubs. Legen Sie sie dorthin, wo die Wellen auslaufen, und lassen Sie die Klamotten im Sand liegen. Sie werden erzählen, dass Sie sie bei Ihrer morgendlichen Jogging-Runde entdeckt haben.«
» Mir ist unwohl dabei. Ich fände es besser, wenn Sie mir helfen würden, Commissaire.«
» Kommt gar nicht infrage. Soll ich im Nachthemdchen joggen gehen? Ich werde mich umziehen und Königin die Lage schildern.« Sie sah ihm hinterher, wie er die Verstorbene auf seinen Armen wegtrug. Kurz stellte sie sich vor, selbst anstelle der jungen Toten dort zu sein, und ihr liefen Freudenschauer über den Rücken.
Um Königin aus der Fassung zu bringen, bedurfte es schon mehr. Die junge Frau hörte sich Vivianes Bericht unerschütterlich an, während sie mit der Hand über den Kragen ihres seidenen Pyjamas strich. » Sie haben sehr gut reagiert«, folgerte sie. » Ich werde einen Arzt aus Lindos kommen lassen, einen Freund des Clubs. Er wird kein Aufsehen um die Diagnose machen, denn er verdient mit unseren Chéris gutes Geld, und wir planen, ihm ein medizinisches Versorgungszentrum am Eingang einzurichten. Wir werden die Leiche zu ihrer Familie überführen, als ob nichts gewesen wäre. Sie haben uns großen Ärger erspart, danke.«
Die Kommissarin erhob sich und ging zur Tür, Königin bedeutete ihr, noch zu warten.
» Abgesehen davon: Diese Geschichte sollte mir eine Warnung sein. Ich glaube nicht, dass dieses Mädchen sich hier im Club Drogen besorgt hat, aber ich würde gerne sicher sein, denn das wäre schlimm. Und wer weiß, ob nicht sie diejenige war, die die Chéris damit versorgt hat? Wir werden ihre Sachen durchsuchen, wenn die Mitbewohnerin beim Mittagessen ist.« Sie begleitete Viviane zur Tür. » Sie wollten mit meiner Hilfe den Türken befragen, ich treffe Sie also um 9 Uhr wieder hier, mit Ihrem Lieutenant.«
Mürrisch ging Viviane ins Restaurant. Sie wusste nicht, was sie mit der Kokserin anfangen sollte. Diese Überdosis würde ihren Fall noch komplizierter machen, es verdarb ihr bereits das Frühstück. Sie begnügte
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