Tote Wasser (German Edition)
sagen, ob er bei dem Wasserkraftkonsortium was herausgefunden hat.»
Er merkte an ihrem Tonfall, dass sie wollte, dass er das überprüfte. Und dann fiel ihm wieder ein, wie Perez ihn jedes Mal, wenn sie am Alten Schulhaus in Aith vorbeigekommen waren, gebeten hatte, langsamer zu fahren, wobei er sich offensichtlich Sorgen um die Staatsanwältin gemacht hatte. «Aye», sagte er deshalb schließlich. «Ich denke, es kann nicht schaden, da mal nachzuschauen.» Außerdem, dachte er, gibt es in Brae doch diesen guten
Fish-and-Chips
-Laden, wo ich auf dem Heimweg noch vorbeifahren kann. Er hatte das Gefühl, schon seit Wochen keine vernünftige warme Mahlzeit mehr gegessen zu haben.
Perez musste inzwischen seine Mailbox abgehört haben, denn er traf zur gleichen Zeit in Hvidahus ein wie Sandy. Sandy erkannte Perez’ Wagen, der vor ihm den Hang hinunter zum Meer fuhr, und verspürte eine schwindelerregende Erleichterung. Ein Jimmy Perez, der nicht ganz auf der Höhe und ein klein wenig verrückt war, war immer noch besser als gar kein Jimmy Perez. In dem großen weißen Haus, in dem die Walshs wohnten, waren die Vorhänge zugezogen.
Es war jetzt stockfinster draußen, der graue Nieselregen bildete einen Lichtkranz um die einzige Straßenlaterne am Pier. Perez öffnete seinen Kofferraum und holte eine Taschenlampe heraus, dann ging er zu Sandy hinüber. Joe Sinclair war schon wieder weg. Sandy stellte sich vor, wie der Hafenmeister satt und zufrieden mit seiner Frau vor dem Fernseher saß, eine Dose Bier in der Hand.
«Na, Sandy, was, glaubst du, ist hier passiert?» Perez ging bereits mit schnellen Schritten über den steinernen Pier auf das Boot zu. Sandy hatte eigentlich gehofft, dass Perez das
ihm
sagen würde, aber jetzt musste er sich etwas ausdenken. Er eilte dem Ermittler hinterher.
«Vielleicht wollte sie abhauen? Sie glaubte, dass wir ihr Auto beobachten, und ist mit dem Boot hierhergekommen, hat sich ein Taxi bestellt und ist damit dann Richtung Süden gefahren, zum Flughafen. Es war reiner Zufall, dass Joe Sinclair hier aufgekreuzt ist.»
Perez hatte die Stelle erreicht, wo die
Marie-Louise
vertäut lag, und blieb abrupt stehen. «Ist das die Theorie von Willow Reeves?»
«Sie hatte von Anfang an den Verdacht, dass Rhona in diesen Fall verwickelt ist.» Der Pier war nass, und Sandy ging langsamer. Das Letzte, was er wollte, war, auszurutschen und im eiskalten Wasser zu landen.
«Ja, das stimmt», sagte Perez. «Und wie’s aussieht, hatte sie die ganze Zeit recht damit.»
Es klang, als würde er mit sich selbst sprechen, und Sandy wollte nicht fragen, wie er das meinte.
Perez leuchtete mit der Taschenlampe auf das Boot und sprang dann auf das schmale Bugdeck. Sandy blieb, wo er war. Es mochte ja eine schicke kleine Jacht sein, aber sie bot nicht viel Platz, und wenn sich herausstellen sollte, dass ein Verbrechen darauf begangen worden war, wollten die von der Spurensicherung bestimmt nicht auch noch seine Fußspuren überall. Perez blieb einen Moment lang ruhig stehen. Es sah aus, als lausche er. Sein dunkles Gesicht wurde vom Schein der Taschenlampe beleuchtet und wirkte düster. Dann verschwand er ohne ein Wort unter Deck. Alles, was Sandy in den nächsten Sekunden hören konnte, waren die Wellen, die gegen den Pier schlugen, und der Wind, der die Seile der Jacht zum Singen brachte. Durch die Luke sickerte das Licht der Taschenlampe. Er hätte Perez gern zugerufen: ‹Und? Was hast du gefunden?› Doch der Ermittler hatte es noch nie leiden können, wenn Sandy ungeduldig wurde, deshalb blieb er still und spürte, wie die Feuchtigkeit seine Haut bis auf die Knochen durchdrang. Aber er war angespannt, das musste er zugeben. Im Warten war er einfach nicht gut.
Schließlich tauchte Perez wieder von unten auf. So, wie er da stand, waren nur sein Kopf und die Schultern zu sehen.
«Soweit ich erkennen kann», sagte er, «ist niemand da.»
«Keine Spur von der Staatsanwältin?» Jetzt kam Sandy sich irgendwie lächerlich vor. Ihm wurde klar, dass er Angst gehabt hatte, dort unten könnte eine Leiche liegen. Rhona Laing, erstochen, wie John Henderson. Blut und Eingeweide in der ganzen Kajüte. Er konnte kein Blut sehen, obwohl er auf einem Bauernhof groß geworden war und seinem Vater oft beim Schlachten geholfen hatte. Um seine Erleichterung zu verbergen, kicherte er kurz auf.
«Nein.» Er bekam nicht heraus, welchen Reim Perez sich darauf machte.
«Sollen wir Willow Reeves vielleicht raten, mal bei
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