Totenacker
man so schön sagt. Das Grundstück habe ich dem Bauern Schraven abgeluchst.» Er schaute hinüber zur Ligusterhecke am anderen Ende des Rasens, hinter der man das rote Schindeldach einer Scheune schimmern sah. «Und wenn man in der richtigen Position war und die richtigen Leute kannte … Nun ja, heute bin ich nicht mehr unbedingt stolz darauf.»
Man hörte einen Hund kläffen, eine barsche Männerstimme, dann wehte der strenge Geruch von Schweinedung herüber.
«Puh!» Van Appeldorn hielt sich die Nase zu.
Onkel Fricka lachte. «Man gewöhnt sich daran. Und früher war es auch nicht so schlimm, erst seitdem die Alten tot sind und Rainer den Hof allein führt. Ein Eigenbrötler, wie er im Buche steht, der Rainer, kriegt kaum die Zähne auseinander. Keine Frau, keine Kinder, dabei ist er schon zweiundfünfzig. Auch keine Freunde, soweit es mir bekannt ist.»
«Keine Angestellten?»
Onkel Fricka schüttelte den Kopf. «Die braucht er nicht. Er hält nur ein paar Mastschweine und Milchkühe, Hühner und Gänse, aber das wohl nur noch als Hobby. Er hat nämlich reichlich Land, alles verpachtet, davon kann er anscheinend ganz gut leben. Im Moment ist er allerdings im Krankenhaus. Er soll versucht haben, sich umzubringen, haben die Leute beim Bäcker erzählt. Aber das glaube ich nicht, dafür ist Rainer nicht der Typ.»
«Und wer kümmert sich jetzt um das Vieh?»
«Sein Schwager aus Xanten.» Er nahm den Hut ab und fächelte sich damit Luft zu. «Obwohl ich mir gar nicht vorstellen kann, wie der das schaffen will. Ich habe ihn Anfang der Woche kennengelernt, den Schönling. Ich hole nämlich jeden Abend dort meinen halben Liter Milch, direkt nach dem Melken – leckere Rohmilch, die bekommt man ja heute sonst nirgendwo mehr.» Er runzelte die Brauen. «Aber was erzähle ich hier eigentlich für dummes Zeug? Das interessiert dich doch gar nicht.»
«Doch, natürlich», entgegnete van Appeldorn.
«Gieß uns noch eine Tasse Kaffee ein», sagte der Onkel und setzte den Hut wieder auf.
«Du stellst gar keine Fragen.»
Van Appeldorn schenkte Kaffee nach und fing dann an, die Kuchenkrümel auf seinem Teller zusammenzuschieben. «Weil ich nichts wissen will.»
«Das muss ich wohl akzeptieren.»
Sie schwiegen, schließlich schaute van Appeldorn auf. «Lebt er noch?»
Onkel Fricka nickte langsam, sein Blick war milde. «Ja, dein Vater lebt noch. Früher haben wir ihn ein paarmal besucht. Er hatte es nicht schlecht getroffen in Kanada, hat ganz gut verdient mit seiner Versicherungsagentur in Toronto. Nur mit Frauen hatte er keine glückliche Hand. Er hat noch zweimal geheiratet und sich zweimal wieder scheiden lassen. Mittlerweile ist er sechsundsiebzig und lebt in so einem Rentnerparadies. Du weißt schon: Golfplatz, Swimmingpool und Lieferservice. Er scheint dort ganz zufrieden zu sein.»
«Und Marlies?»
«Deine Schwester nennt sich jetzt Mary und lebt in Kalifornien. Die hat mit ihrem dritten Ehemann wohl eine gute Partie gemacht. Im Grunde weiß ich nicht viel von ihr, wir haben keinen Kontakt.» Seine Augen funkelten. «Man sagt so etwas eigentlich nicht, aber ich habe sie schon als Kind nicht besonders gemocht. Sie war – entschuldige – einfach ein bisschen doof. Aber vor allem hatte sie immer so etwas Forderndes, Nörgeliges an sich.»
Van Appeldorn schaute ihn überrascht an. «Das stimmt, und daran hatte sich auch nichts geändert, als sie sich schließlich vom Acker gemacht hat.»
«Man kann sich seine Geschwister halt nicht aussuchen.»
«Und seine Eltern auch nicht», beendete van Appeldorn das Thema. «Du siehst ein wenig müde aus. Soll ich schon mal den Tisch abräumen?»
Onkel Fricka schaute auf seine Armbanduhr. «Nein, lass nur, das mache ich später. Ein halbes Stündchen Zeit hast du noch.»
Van Appeldorn war etwas eingefallen. «Mir ist da gestern eine Sache untergekommen, bei der du mir vielleicht weiterhelfen kannst. Gibt es die Möglichkeit, von einem Feld mehrmals im Jahr zu ernten?»
«Ja, sicher, durch Direktsaat», bestätigte der Onkel. «Dabei verzichtet man auf die Bodenbearbeitung, also auf Pflügen und Eggen. Man schlitzt den Boden auf und legt das Saatgut ab. Ausgesät werden nicht nur Hauptfrüchte, sondern auch verschiedene Zwischenfrüchte, die man dann chemisch abtötet, um eine Mulchschicht zu erhalten.»
«Ach so.» Van Appeldorn war nicht sicher, ob er alles verstanden hatte.
«Ich persönlich halte gar nichts davon», sprach Onkel Fricka weiter. «Erst
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