Totenbraut (German Edition)
schob die Scherben mit dem Fuß auseinander. „Und ich bin auf diese Lüge reingefallen. Das Ding hier war zwar tatsächlich hohl, aber leer. Ganz schön niederträchtig von eurer Alten, nicht wahr?“
Ich schluckte mühsam. Mein Mund war trocken und mein Kopf schmerzte immer noch von Šimes Schlag. Dennoch war ich in diesem Augenblick völlig klar.
Nema und Anđelko, dachte ich. Und: Anđelko ist nicht der Wolf. Er befiehlt ihm. Und der Wolf hat Nema angefallen.
„Du bist kein Priester!“, brachte ich hervor. „Du hast sie getötet. Du schleichst mit deinem Wolf schon seit Wochen um das Dorf herum!“
Er ist der Dunkle!, schrie es in meinem Kopf. Ich versuchte noch ein Stück von ihm abzurücken, aber ich stieß schon gegen den Bogenpfeiler.
„Das stimmt nicht alles“, erwiderte er ungerührt. „Ich bin durchaus ein Priester! Zumindest heute noch. Und zwar Anđelko aus Kuklina. Es war nicht schwierig, ihn auf dem Weg hierher abzupassen. Und da ihn außer Milutin und ein paar der anderen Verstorbenen aus dem Dorf keiner kannte, fragt auch niemand, ob er wirklich den Richtigen vor sich hat. Zufällig passt sein Priestergewand mir wie angegossen, aber selbst wenn der Saum mir um die Knie schlottern würde, die Leute würden keinen Verdacht schöpfen. Wer Angst hat, glaubt alles, was er sieht.“
Er sprach immer noch mit dieser beherrschten Ruhe, doch seine Finger trommelten auf den Knien, eine lauernde Unruhe, die mich auf der Hut sein ließ. Wo ist Bela?, dachte ich und stemmte mich verzweifelt gegen die Fesseln. Warum hat sie mich diesmal nicht gewarnt?
Der falsche Pope beobachtete eine Weile, wie ich mich abmühte, dann stand er gemächlich auf.
„Ein hübsches Versteck. Türkisch und serbisch zugleich. Hierher hat sich Jovan also verkrochen, um Gott um Gnade und Vergebung anzuflehen.“
Ich horchte auf und hielt damit inne, mich gegen die Fesseln zu wehren. Der Mann wusste, dass Jovan auf Vergebung gehofft hatte. Aber er wusste nichts von Vampir. Das bedeutete, Danilo hatte ihm nichts verraten.
„Wo ist er, Jasna?“ Die kalte Stimme hallte dumpf im Kellerraum.
„Wer?“
„Du weißt genau, was ich meine. Der Schatz! Er muss auf dem Gut sein, ich weiß, dass Jovan ihn irgendwo versteckt hat.“
Nur langsam dämmerte mir, was er meinte. „Das ... Türkengold?“
Alles hätte ich erwartet, nur nicht, dass die Erklärung so einfach war.
Der Dunkle war in die Mitte des Raumes getreten. „Kaum zu glauben, dass der jämmerliche Dieb Jovan eine so schlaue Frau für seinen noch verstockteren Sohn gefunden hat.“
Meine Sorge um Danilo stand mir wohl ins Gesicht geschrieben, denn der Kerl zeigte mir ein humorloses Lächeln. „Oh, er lebt noch, keine Sorge“, sagte er gleichmütig. „Ich bin noch nicht fertig mit ihm. Und mit Simeon werde ich mich auch noch befassen.“ Seine Stimme sank zu einem drohenden Flüstern. „Irgendeiner von euch dreien wird mir schon verraten, wo mein Eigentum ist.“
Ich stemmte die Füße gegen den Boden und versuchte mich an der Wand aufzurichten. Etwas Schmales, Längliches drückte unter meinem Gürtel gegen die Taille. Mein Messer! Der Schweiß brach mir aus. Ich hatte die Waffe noch! In ein Stück Leder gewickelt war sie unter dem Gürtel eingeklemmt. Die Männer hatten sie übersehen.
Denk nach , befahl ich mir. Rede mit ihm! Gewinne Zeit! Meine Gedanken wirbelten und setzten neue Bilder zusammen, tasteten nach Gründen und den Erinnerungen an die vergangenen Wochen. Die Schafe, die Leute im Dorf, Jovan.
„Warum muss ein ganzes Dorf büßen, nur weil du das Türkengold suchst?“, fragte ich herausfordernd. „Wer bist du? Ein Räuber vielleicht? Lazar Kosac?“
Der Vampir, der einem Wolf befiehlt? Doch diese Frage wagte ich nicht einmal weiterzudenken. Ich sah es vor mir: den nachtdunklen Wald und meinen Schwiegervater, dessen Pferd vor dem Wolf scheute. Aber vielleicht hatte der Sturz ihn gar nicht umgebracht.
„Glaube mir, du würdest Gott danken, wenn ich nur ein Räuber wäre“, sagte der Mann. „Und mein Name ist auch nicht Lazar Kosac. Aber wie ich sehe, hat niemand dir von Isak erzählt.“
Ich schüttelte den Kopf. Meine Finger angelten nach den losen Enden des Stricks, doch ich bekam sie nicht zu fassen.
„Jovan hat das Türkengold längst ausgegeben“, sagte ich mit fester Stimme. „Er war nicht so reich, wie alle dachten. Nach seinem Tod musste Danilo sogar einen Teil seiner Pferde verkaufen.“
Der Mann, der offenbar Isak hieß,
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