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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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nichts weiter zu tun, als
dass ich ihn gefunden habe.«
    Wieder sieht Scarpetta Marino tadelnd an. Sie hat
genug davon, dass er Bull verhört und einschüchtert. »Erinnern Sie sich sonst
noch an etwas?«, fragt sie. »Haben Sie jemanden beobachtet, der Ihnen
vielleicht seltsam vorgekommen ist?«
    »Ich grüble ständig darüber nach, doch mir fällt
dazu nur eines ein. Vor etwa einer Woche war ich wieder an der Anlegestelle Old
House Creek im Laden, um meine Krabben zu verkaufen. Als ich ging, habe ich
einen Mann bemerkt, der gerade ein Fischerboot festband. Ich fand es seltsam,
dass er überhaupt keine Angelausrüstung bei sich hatte. Also habe ich mir
gedacht, dass er einfach nur gern spazieren fährt und eben Spaß an Booten hat.
Es muss sich ja nicht jeder fürs Fischen interessieren. Aber dann hat er mich
so komisch angestarrt. So als hätte er mich schon irgendwo gesehen. Mir ist
richtig mulmig geworden.«
    »Können Sie den Mann beschreiben?«, fragt Marino.
»Was für ein Auto fuhr er? Wahrscheinlich auch einen Pick-up, um sein Boot zu
transportieren.«
    »Er trug den Hut tief in die Stirn gezogen und hatte
eine Sonnenbrille auf der Nase. Außerdem schien er nicht sehr groß zu sein.
Mehr kann ich auch nicht sagen. Ich hatte ja keinen Grund, ihn mir genauer
anzuschauen, und wollte nicht, dass er sich womöglich noch beobachtet fühlt.
Auf diese Weise kann man nämlich leicht Ärger kriegen. Wenn ich mich recht
entsinne, hatte er Stiefel an. Dazu eine lange Hose und ein langärmeliges
T-Shirt. Ich weiß noch, dass ich das seltsam fand, denn es war ein heißer,
sonniger Tag. Welches Auto seines war, weiß ich nicht, weil ich vor ihm weg bin
und auf dem Parkplatz verschiedene Pick-ups und andere Autos standen. Es war
ziemlich viel los und wimmelte nur so von Leuten, die frische Meeresfrüchte
kaufen oder verkaufen wollten.«
    »Muss man sich Ihrer Meinung nach in dieser Gegend
auskennen, um dort eine Leiche abzulegen?«, erkundigt sich Scarpetta.
    »In der Nacht? Es würde doch kein vernünftiger
Mensch in den Seitenarmen herumschippern, wenn es dunkel ist. Ich würde es jedenfalls
schön bleiben lassen. Auszuschließen ist es natürlich nicht. Von so einem
Verbrecher kann man ja nicht erwarten, dass er sich normal benimmt. Wer normal
ist, macht nämlich nicht solche Sachen mit kleinen Kindern.«
    »Haben Sie Veränderungen im Gras, im Schlamm oder an
der Austernbank bemerkt, als Sie die Leiche fanden?«, fragt Scarpetta.
    »Nein, Ma'am. Doch wenn die Leiche in der Nacht
zuvor bei Ebbe abgelegt wurde, hätte das Wasser den Schlamm wieder geglättet.
So wie bei einer Welle, die über den Strand schwappt. Der Tote hätte dann eine
Weile unter Wasser gelegen, wäre aber vom hohen Gras festgehalten worden.
Niemand tritt freiwillig auf eine Austernbank. Man klettert drum herum, so gut
man kann, denn nichts ist schmerzhafter, als sich an einer Austernschale zu schneiden.
Wenn man mitten auf die Bank tritt und das Gleichgewicht verliert, kann man
sich ziemlich übel verletzen.«
    »Vielleicht stammen Ihre Schnittwunden ja daher,
dass Sie auf eine Austernbank gefallen sind«, sagt Marino.
    Scarpetta erkennt deutlich, dass die Verletzungen
zweifellos von einem Messer verursacht wurden. »Mr. Grant«, sagt sie deshalb.
»Am Rand des Sumpfgebiets stehen einige Häuser mit langen Landungsstegen.
Eines davon befindet sich nur wenige Meter vom Fundort entfernt. Hätte der
Täter die Leiche mit dem Auto transportieren, sie über den Steg tragen und sie
von dort aus in den Sumpf werfen können?«
    »Schwer vorzustellen, dass jemand auf einem dieser
alten Landungsstege rumklettert, vor allem bei Dunkelheit, mit einer Leiche
beladen und mit einer Taschenlampe in der Hand. Außerdem müsste die
Taschenlampe ziemlich stark sein. In dem Schlamm dort kann ein Mann bis zu den
Hüften versinken, und es zieht ihm dabei die Schuhe aus. Und wenn der Täter
anschließend wieder die Leiter raufgestiegen und über den Steg abgehauen wäre,
hätte man doch seine Fußabdrücke sehen müssen.«
    »Woher wollen Sie wissen, dass keine schlammigen
Fußabdrücke auf dem Steg waren?«, hakt Marino nach.
    »Das hat mir der Mann vom Bestattungsinstitut
erzählt. Ich habe auf dem Parkplatz gewartet, bis sie die Leiche brachten. Er
hat sich währenddessen mit den Polizisten unterhalten.«
    »Schon wieder dieser Lucious Meddick«, sagt
Scarpetta.
    Bull nickt. »Er hat lange mit mir geredet und
versucht, mich auszufragen. Aber ich habe nur ausweichend

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