Totenfeuer
Funkgeräte. Am Ortseingang parken der Kombi der Spurensicherer, das Fahrzeug des Hundeführers und ein Streifenwagen.
»Ich denke, Cäsar hat den Tatort gefunden«, ruft Rolf Fiedler zur Begrüßung. »Der Mann ist dieselbe Strecke gegangen wie Sie eben: den Berg hinauf durch den Wald, dann über den Acker und dann die paar Meter auf dem Holtenser Weg nach rechts. Und hier, wo die Bäume anfangen, hat Cäsar dann angeschlagen wie verrückt.«
Der Hundeführer tätschelt dem schwarzen Tier die Flanke. Der Hund, ein Retrievermix, wedelt freundlich mit dem Schwanz.
Rolf Fiedler erläutert weiter: »Wir haben Blutspuren entdeckt, viel Blut, obwohl der Regen schon einiges weggewaschen hat. Wir nehmen Bodenproben, und vielleicht finden wir auch noch Schrotkörner.«
»Fußspuren?«, erkundigt sich Völxen.
»Es gibt welche am Wegrand, aber leider ohne Sohlenprofil, die Erde war zur Tatzeit zu trocken. In der Mitte des Weges sind zwar einige Sohlenabdrücke, aber die sind frisch. Die meisten Spuren sind ohnehin zerstört worden durch Trecker, die zwischenzeitlich hier langgefahren sind.« Fiedler deutet auf die breiten Reifenspuren mit dem typischen Profil, die nicht zu übersehen sind.
»Damit erübrigt sich wohl auch die Frage nach Reifenspuren anderer Fahrzeuge«, seufzt Völxen.
»Richtig«, bestätigt Fiedler. »Tatsache ist, dass der Mann hier sehr viel Blut verloren hat. Die Geruchsspur verliert sich hier. Das deutet darauf hin, dass das Opfer ab hier in einem Fahrzeug weiterbewegt wurde. Dieser Feldweg führt direkt zum Leichenfundort.«
»Es sind siebenhundert Meter von hier bis zur Feuerstelle«, lässt sich einer von Fiedlers Männern vernehmen.
»Die Schrotflinte von Felk ist nirgendwo aufgetaucht?«, fragt Fernando.
»Nein«, antwortet Fiedler. »Sie war auch nicht in den Resten des Feuers, die hätten wir gefunden. Auch die Patrone muss der Schütze entfernt haben. Leider lassen sich ja Schrotkörner keiner bestimmten Schusswaffe zuordnen, aber die Patronen sehr wohl. Ich schlage dennoch vor, dass die Hundestaffel das ganze Gebiet noch mal absucht.«
»Unbedingt«, stimmt ihm Völxen zu, und an Jule und Fernando gerichtet sagt er: »Fragt in Lüdersen nach diesem Schuss vom Sonntagmorgen. Die müssen da was gehört haben.«
»Fangen wir doch gleich bei denen da drüben an«, meint Jule.
»Aber außen rum übers Feld. Die Absperrung gilt für alle«, grinst Rolf Fiedler.
Jule wirft einen wehmütigen Blick auf ihre Tod’s -Slipper, die nach dem Gang durch diesen Acker wohl ruiniert sein dürften, dann erprobt sie ihr charmantestes Lächeln an Fiedler. Es wirkt.
»Na gut. Aber bleiben Sie in den Treckerspuren.«
Während sich seine Mitarbeiter entfernen, wendet sich der Hauptkommissar an den Hundeführer. »Sehr gute Arbeit.«
Der Mann strahlt und winkt ab. »Das war ein Klacks. Cäsar ist ein Mantrailer, der hätte diese Spur auch noch nach Wochen gefunden. Der nimmt sogar mitten in der Stadt noch Ihre Spur auf, auch wenn Monate vergangen sind.«
»Ich habe davon gehört, aber es ist unglaublich. Wie geht das?«
»Menschliche Geruchsspuren entstehen überwiegend durch die Abbauprodukte und bakteriellen Zersetzungsprozesse auf den abgestoßenen Hautschuppen, die der Mensch zu jeder Sekunde verliert, egal, was er tut. Wir sprechen von vierzig bis hundert Millionen abgestoßener Hautzellen pro Mensch und Tag. Gleichzeitig sondert jeder Mensch mit dem Körperschweiß ein Geruchssekret ab. Bei den Zersetzungsprozessen entstehen Gase, die der Hund selbst in winzigsten Konzentrationen wahrnehmen kann. Dieser Individualgeruch umgibt unseren Körper also wie eine Art Geruchswolke, die sich ähnlich verhält wie aufsteigender Rauch oder extrem leichte Pflanzensamen. Diese Schwaden sind windanfällig, werden vertrieben und fangen sich häufig entlang von Hindernissen wie Büschen, Zäunen, Mauern, oder sie liegen sozusagen im Straßengraben in der Nähe der Laufspur eines Menschen. Das Gute ist: Man kann den Individualgeruch nicht abwaschen oder überparfümieren, er hängt ab von unserem Genom, der Kultur, in der wir leben, außerdem spielen das soziale Umfeld, Umwelteinflüsse, die Ernährung, der Gesundheitszustand, der Stoffwechsel und die Bakterienflora der Haut eine Rolle. Bewegen wir uns, hinterlassen wir also einen Geruchstunnel, bleiben wir stehen, bildet sich eine Art Geruchsblase. Die vom Körper abgestoßenen Hautschüppchen sind natürlich Witterungsprozessen ausgesetzt und verflüchtigen
Weitere Kostenlose Bücher