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Totenfluss: Thriller (German Edition)

Totenfluss: Thriller (German Edition)

Titel: Totenfluss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Menschen. Nach wie vor waren Reporter der Lokalsender unterwegs, und er wollte nicht entdeckt werden. Sie wären im Handumdrehen mit laufenden Kameras über ihn hergefallen und hätten Einzelheiten der Rettungsaktion wissen wollen.
    Inzwischen dürfte sich die Polizeizentrale wegen des vermissten Jungen an die Öffentlichkeit gewandt haben. Die Überwachungskameras des Krankenhauses zeigten ihn auf einem grobkörnigen Bild, wie er das Gebäude durch einen der Ausgänge verließ, allein. Es war eine lausige Aufnahme, ein Dreiviertel-Profil, und er floh in einem Krankenhaushemd und barfuß in die Nacht. Das sah Archie absolut ähnlich – jemand retten und ihn dann sofort wieder zu verlieren. Klassisch.
    Erst auf dem Bild erkannte Archie, wie sehr der Junge seinem eigenen Sohn ähnelte.
    Er fragte sich, ob es überhaupt eine Top-Meldung war. Wahrscheinlich interessierte es niemanden. Wahrscheinlich drehten sich die Nachrichten die ganze Zeit nur um die Flut. Nicht einmal die Eltern dieses Jungen hatten sein Verschwinden bemerkt, warum sollte es sonst jemandem auffallen?
    Archie spürte immer noch die Kälte des Flusses in seinen Knochen.
    »Da«, sagte Heil.
    Sie waren unter der Burnside Bridge. Archie fühlte sich plötzlich leichter auf den Beinen, er atmete freier, und er brauchte einen Moment, bis er bemerkte, dass es an dem fremdartigen Gefühl lag, im Freien zu sein, ohne dass es auf ihn regnete. Die Betonplatten der Brücke über ihm wurden von mächtigen Pfeilern, ebenfalls aus Beton, getragen. Diese Brücke war zuerst im 19. Jahrhundert gebaut und in den 1920ern dann neu errichtet worden. Sie war nicht übel mit ihren italienischen Renaissancetürmen und dem hübschen Eisengeländer. Aber das war oben. Hier unten war es klamm und dreckig. Einen großen Teil des Jahres über fand samstags ein Markt statt, mit gebrauchten Handys und Hanfhalsbändern. Aber im Winter gab es keinen Markt, und die Brücke wurde zu einem Zufluchtsort für Obdachlose, die ein trockenes Plätzchen suchten.
    Jetzt war es rappelvoll hier unten, aber nicht wegen der Obdachlosen. Lkws der Nationalgarde, Freiwillige, die Kaffee ausgaben, Fahrzeuge der Parkverwaltung und mittendrin, als eins der größten Vehikel, die neue Mobile Kommandozentrale der Polizei von Portland. Der einzige Hinweis auf die normalen Mieter war ein verlassener Einkaufswagen. Archie entdeckte zwei seiner Detectives, Mike Flannigan und Martin Ngyun, und in ihrer Mitte den Mann, der Henrys Handy gehabt hatte. Er war jetzt nicht mehr in Plastik gewickelt, sondern in eine graue Wolldecke gehüllt. Eine Frau war bei ihnen. Sie arbeitete beim Sozialdienst. Archie konnte nicht genau sagen, woher er das wusste – es musste irgendwie daran liegen, wie sie mit breiter Brust und gespreizten Füßen dastand, unbeeindruckt von dem Chaos ringsum.
    Die Lichter unter der Brücke waren anders als die Baustrahler, die das Flutmauer-Projekt beleuchteten. Diese hier rotierten weiß und orangefarben, sodass alles in Fünfsekunden-Intervallen die Farbe wechselte. Der Effekt war halb Katastrophenschauplatz, halb Nachtklub.
    Flannigan gab der Frau einen sanften Stoß. Sie sah ihn böse an.
    »Das ist Mary Riley«, sagte er zu Archie. »Von der Mission.«
    Die Portland Rescue Mission betrieb neben anderen karitativen Unternehmungen eine Suppenküche und ein Obdachlosenasyl an der Burnside Street. Die Suppenküche hatte so viel Zulauf, dass die Schlange der Obdachlosen vor ihr manchmal mehrere Blocks entlang der Burnside Bridge direkt über ihnen zurückreichte.
    »Ich muss gehen«, sagte Riley. Ihr braunes Haar steckte unter einer Fleecemütze, und sie trug eine Columbia-Sportswear-Jacke und einen Cordrock zu Leggins.
    »Sie hat ihn für uns identifiziert«, fuhr Flannigan fort. »Sein Name ist Dan Schmidt, aber er läuft unter«, er hob die Finger und malte Anführungszeichen in die Luft, »Otter. Er ist schizophren. Hat seine Medikamente abgesetzt. Wenn wir es richtig interpretieren, hat er das Handy auf dem Weg auf der Japanese American Plaza gefunden. Hat es aufgehoben. Hat nichts gesehen. Er spricht ständig von einem gewissen Nick. Außerdem von einem Raumschiff und von Ronald Reagan. Wir haben seine Fingerabdrücke überprüft. Er ist registriert, aber nicht wegen Gewalttaten.«
    Archie verstand, wie Dan Schmidt zu seinem Spitznamen gekommen war. Mit dem nassen braunen Haar und dem buschigen Bart, der breiten flachen Nase und dem Überbiss sah er tatsächlich wie ein Otter aus.
    »Er

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