Totenfluss: Thriller (German Edition)
gelegen, und jegliche Spuren waren sicherlich längst verschwunden, aber das wusste August Hughes nicht. »Etwas, das uns hätte helfen können, ihren Mörder zu finden.«
August riss die Augen auf. »Sie wurde ermordet? Ich dachte, sie ist ertrunken.«
Philip Hughes holte tief Luft, nahm die Hand vom Rücken seines Vaters und legte sie auf seine Hand. »Schon gut, Pop.«
»Warum haben Sie es nicht gemeldet?«, fragte Archie den Alten.
»Wie hätte ich erklären können, was ich getan hatte?«, antwortete der. »Abgesehen davon wusste ich, dass der Bautrupp sie finden würde. Sie machen ihre Zigarettenpause immer da drüben. Aber es hat an mir genagt. Schließlich habe ich es meinem Sohn heute Morgen erzählt und ihn gebeten, mich zu Ihnen zu bringen.«
Die Leute taten merkwürdige Dinge, aus merkwürdigen Gründen. Archie hatte manches davon aus nächster Nähe gesehen. Aber das hier?
»Warum der Strauß?«, fragte Archie.
August Hughes blickte auf seine Hände. »Das hatte keinen besonderen Grund. Ich dachte, er könnte ihr gefallen. Es sagt viel über Menschen aus, welches Karusselltier sie wählen. Hahn. Storch. Frosch. Zebra. Die meisten Leute setzen sich auf die Springpferde, auf den Drachen, Löwen, Tiger – die Klassiker eben. Wir haben zwei Strauße auf diesem Karussell. Manche Kinder weinen, wenn ihre Mutter sie auf einen setzt. Sie wollen auf dem Drachen reiten. Andere Kinder gehen direkt auf die Strauße zu. Sie haben heimlich Namen für sie. Sie flüstern sie ihnen ins Ohr. Das sind die Kinder mit Herz. Ich dachte, sie könnte eins von ihnen gewesen sein.«
»Mein Vater trinkt«, sagte Philip.
»Ich trinke Bier«, sagte August und blickte auf. »Gerade viel genug, nicht mehr.«
Archie war einundvierzig, und die meiste Zeit tat ihm der ganze Körper weh. Er konnte seine Kinder höchstens ein paar Blocks tragen. Dieser alte Mann hatte es fertiggebracht, eine Leiche im Dunkeln zu transportieren, nach ein paar Bieren? Leblose Körper waren sehr viel schwerer zu bewegen, als man sich gemeinhin vorstellte. Es hieß nicht ohne Grund »totes Gewicht«. Tote waren nicht schwerer, als sie zu Lebzeiten gewesen waren, aber es fühlte sich so an. »Sie haben diese junge Frau aufgehoben, über den Zaun geschafft, sie dreißig Meter weit getragen und auf das Karussell gesetzt?«, fragte Archie. »Ganz allein?«
»Ich habe nicht gesagt, dass es schnell ging«, sagte der Alte.
»Dad ist stark«, sagte Philip. »Er geht immer noch jeden Tag ins Fitnessstudio. Er hat in der Army geboxt. Dann in der Werft gearbeitet.« Er tätschelte die Hand seines Vaters. »Die Rollschuhbahn wurde 1948 zerstört. Danach hat man ihren Boden auf Pontons gesetzt. Mein Vater hat während der Weihnachtsflut ’64 im Park gearbeitet. Er hat das braune Wasser reinkommen sehen und den Boden mit einer Kettensäge von den Stützen losgeschnitten. Auf diese Weise hat er die Rollschuhbahn gerettet.«
»1948«, sagte Archie. »Das war die Vanport-Flut, nicht wahr?«
Der ältere Hughes nickte. »Das Wasser musste irgendwohin, nachdem es die Stadt weggespült hatte. Der Willamette stieg um fünf Meter. Der Park stand dreißig Tage lang unter Wasser, die Bäume starben, die Fahrgeschäfte waren im Eimer. Natürlich habe ich damals noch nicht dort gearbeitet.«
»Am Sonntagabend sollten Sie eigentlich auch nicht dort sein«, sagte Archie. Er hatte den Dienstplan für die Woche gesehen. »Was haben Sie also im Park getan?«
»Ich gehe abends im Winter viel dorthin«, sagte August. »Der Park ist dann geschlossen. Ich will nicht, dass jemand in Schwierigkeiten gerät. Die Kinder springen über den Zaun und albern herum. Ich kenne sie alle, ich kenne auch ihre Eltern.«
Es war eine vage Vermutung, nicht mehr. Archie hatte eine Akte zu dem Fall vor sich. Er öffnete sie, nahm das Überwachungskamerabild des Jungen aus dem Krankenhaus heraus und schob es über den Tisch zu August Hughes.
»Haben Sie diesen Jungen mal gesehen?«
Philip Hughes beugte sich vor. »Ist das der Junge aus den Nachrichten?«
August runzelte die Stirn. »Der macht keinen Ärger.«
Archies Herz schlug schneller. »Sie haben ihn gesehen? Wissen Sie das genau?«
»Er kommt wegen der Goldfische«, sagte August Hughes. »Die älteren Kinder kommen in den Park und geben ein Vermögen dafür aus, Dartpfeile auf Luftballons zu werfen, um diese Fische zu gewinnen. Wenn sie es schaffen, hüpfen sie herum wie verrückt. Man könnte meinen, sie haben eine Reise nach Paris
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