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Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sandford
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indem man nach Milwaukee flog und von dort die neunzig Meilen mit dem Auto nach Madison fuhr. Er mietete sich bei Hertz einen Wagen und fuhr nach Westen. Es war eine Fahrt von anderthalb Stunden einschließlich der Zeit, die er mit dem starken Gegenverkehr aus der Stadt zu kämpfen hatte. Hier war der Winter noch nicht vorbei. Die Bäume fingen gerade an zu knospen, doch von Süden wehte ein sanfter, warmer Wind, der Frühling verhieß.
    Das Navigationssystem des Wagens leitete ihn von der Interstate 94 in die Innenstadt zur Johnson Street, zwei oder drei Blocks vom Wisconsin Capitol entfernt. Er musste ganz in der Nähe der Universität sein, dachte er. Auf den Bürgersteigen wimmelte es nämlich von Studenten mit militärisch kurzen Haarschnitten und Büchertüten in der Hand. Die hatten bestimmt die Köpfe voll von diesen beschissenen Philosophien von Ayn Rand und Newt Gingrich.
    Das PollCats-Institut befand sich in einem schäbigen zweistöckigen Bürogebäude aus Backstein und Glas, das noch aus den siebziger Jahren übriggeblieben war. Auf dem schmalen Parkplatz hinter dem Haus standen nur vier Autos. Aus den Rissen in der geteerten Oberfläche wucherten Gras und Unkraut. Jake nahm Aktenkoffer und Stock, betrat das Gebäude durch
die Hintertür und ging durch einen langen düsteren Gang, in dem es nach in der Mikrowelle erwärmter Hühnersuppe roch, in eine beengte Eingangshalle, wo er einer Hinweistafel entnahm, dass sich PollCats im zweiten Stock befand.
    Er fuhr hinauf und trat aus dem Aufzug. PollCats hatte ein Büro am Ende eines weiteren düsteren, mit Teppich ausgelegten Gangs, eine der acht Türen, die von dem Flur abgingen. Im Flur war es still. Neben zwei der Türen hing ein Schild, neben den übrigen sechs nicht, und wenn man durch die Glaseinsätze in diesen Türen blickte, sah es aus, als wären die Räume dahinter leer.
    Bei PollCats konnte er jedoch durch die Glasscheibe eine blonde Empfangsdame sitzen sehen, die in einer Vanity Fair las. Jake drückte die Türklinke herunter und ging hinein. Als sie das Geräusch der Türklinke hörte, ließ die Empfangsdame die Zeitschrift in eine Schreibtischschublade fallen, setzte sich in Positur und lächelte Jake an. Er lächelte zurück und sagte: »Ich möchte zu Alan Green.«
    Sie war hübsch, hatte eine Haut wie ein Pfirsich, blaue Augen und die Haare zu einem französischen Zopf geflochten. »Haben Sie einen Termin?«
    »Nein. Ich mache Recherchen für die Regierung und bin zu einem kurzen Besuch aus Washington hier. Es ist ziemlich wichtig.«
    Sie griff zum Telefon. »Welches Ressort?«
    »Ich arbeite direkt für den Präsidenten«, antwortete er, nahm seinen Ausweis vom Weißen Haus aus der Brieftasche und gab ihn ihr.
    Sie blickte kurz darauf, legte den Hörer hin und sagte: »Einen Moment bitte.«
    Sie verschwand durch eine Tür in den inneren Bereich. Jake wartete zehn, fünfzehn Sekunden, dann kam sie zurück. »Er muss nur noch ein Telefonat beenden.«

    In dem Moment hörten sie beide, wenn auch leise, eine Toilettenspülung rauschen. Die junge Frau wurde leicht rot. »Ich hätte das Gleiche gesagt«, bemerkte Jake.
    »Es schien mir die bessere Erklärung«, sagte sie. »Wann waren Sie das letzte Mal im Weißen Haus?«
    »Gestern Abend.«
    »Haben Sie den Präsidenten gesehen?«
    »Nein. Aber einmal hab ich ihn gesehen, und da hat er mir zugenickt.«
    »Muss einem ein Gefühl von Macht geben«, sagte sie ironisch.
    »Ich erzähle die Geschichte so oft ich kann«, erklärte Jake. »Hat mir schon ein halbes Dutzend Einladungen zu Dinnerpartys eingebracht.«
    Sie plauderten immer noch, das Mädchen flirtete ein wenig, war aber viel zu jung, dachte Jake – zwanzig, höchstens zweiundzwanzig -, als Alan Green durch die Innentür hereinkam. Green war klein, glatzköpfig und kräftig, hatte breite Schultern und schmale Hüften wie ein ehemaliger College-Ringkämpfer oder Turner. Er trug eine khakifarbene Hose, ein weißes Hemd, dazu eine gestreifte Krawatte, die er an seinem dicken Hals gelockert hatte, und ein Cordjackett mit Lederflecken an den Ellbogen. »Mr. Winter? Was kann ich für Sie tun?«, fragte er lächelnd.
    »Ich muss mit Ihnen sprechen«, erwiderte Jake.
    »Könnten Sie mir vielleicht sagen, worüber?«
    »Lincoln Bowe.«
    »Ich hab es in den Nachrichten gehört. Schrecklich«, sagte Green. »Was haben Sie damit zu tun?«
    Jake warf einen Blick zu der Empfangsdame, dann sagte er: »Ich kann Ihnen das hier erzählen oder unter vier

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